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Eurokrise belastet Deutschland

Gewerkschaftsnahe Ökonomen fordern ein Ende der Sparpolitik

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Sparpolitik hat die Rezession in den Krisenländern verschärft. Das könnte bald auch Folgen für Deutschland haben, warnt das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung.

Eine positive Nachricht stellten die Ökonomen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung an den Anfang. Als sie gestern ihren Ausblick für das gerade begonnene Jahr vorstellten, hoben sie ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum in Deutschland an: von 0,4 auf 0,8 Prozent. Grund zum Aufatmen ist das für sie aber nicht. »Die deutsche Wirtschaft wird sich in diesem Jahr über Wasser halten können. Doch die Rezession im Euroraum hängt ihr wie ein Gewicht an den Füßen«, erklärte IMK-Chef Gustav Horn.

Schon Ende des vergangenen Jahres gab es eine Trendwende in der heimischen Konjunktur. »Die deutsche Wirtschaft hat deutlich an Wachstumskraft eingebüßt«, sagte Horn. Zwar stabilisierten der private Konsum und der relativ robuste Export deutscher Waren nach Osteuropa, Asien und Amerika weiterhin den Handel, doch werde die wirtschaftliche Lage Deutschlands zunehmend von der Krise im Euroraum geprägt. So sind die Arbeitslosenzahlen im Dezember 2012 im Vergleich zum Vorjahr um 60 000 Personen gestiegen.

Die Krise wird Europa auch 2013 beherrschen. Die Ökonomen des IMK gehen davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt in den Euroländern um 0,5 Prozent schrumpfen wird. Im Jahr 2012 betrug der Rückgang 0,4 Prozent. Der Grund für die anhaltende Rezession ist den Forschern zufolge die überzogene Austeritätspolitik. »Sie hat die Lage in den Krisenländern weiter verschärft, weil sie auf falschen makroökonomischen Annahmen beruht«, schreibt das IMK in seinem Ausblick.

Die Troika aus Europäischer Zentralbank, Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU-Kommission schätzte die Auswirkungen ihrer Sparpolitik in den Krisenländern falsch ein. So beträgt der »Fiskalmultiplikator« nach Schätzungen der Kommission 0,4. Dieser Wert gibt an, um wie viel sich die Wirtschaftsleistung eines Landes verringert, wenn die Staatsausgaben gesenkt werden. Bei einem Multiplikator von 0,4 schrumpft die Wirtschaft bei jedem eingesparten Euro um 40 Cent. Das war vor allem für die Krisenländer zu optimistisch geschätzt. Mittlerweile geht selbst der IWF von einem »Fiskalmultiplikator« von 0,9 bis 1,7 aus. Das hat zur Folge, dass nicht nur die Wirtschaft auf Grund der Sparmaßnahmen stärker einbricht als erwartet. Bei so einem starken Effekt der Haushaltspolitik auf die Konjunktur ist Sparen sogar kon-traproduktiv, weil die Staatsschulden langsamer zurückgehen als die Wirtschaftsleistung. Dadurch kann die Schuldenquote eines Landes auf Grund von Sparmaßnahmen steigen.

»Eine Abkehr vom Austeritätskurs ist die entscheidende Voraussetzung dafür, dass 2013 zum Jahr einer Trendwende wird«, machte deswegen Gustav Horn deutlich. Um gleichzeitig die Staatsschulden und die Rezession in der Eurozone in den Griff zu bekommen, schlägt er vor, das Schuldenproblem von der anderen Seite her anzugehen. Die Staaten sollten nicht mehr versuchen, ihre Haushalte durch einen Sparkurs zu konsolidieren, sondern hohe Einkommen und Vermögen stärker besteuern.

Um die wirtschaftliche Lage in Deutschland zu stabilisieren, rät das IMK unter anderem die Löhne kräftig anzuheben. Langfristig sollten die Gehälter um 3,5 Prozent wachsen. In den nächsten zwei Jahren seien rund vier Prozent sinnvoll. Das stärke die Nachfrage.

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