Rivalitäten lähmen Russlands Opposition

Am Sonntag wird wieder zur Anti-Putin-Demonstration gerufen - die Erwartungen halten sich in Grenzen

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Neujahrsferien sind zu Ende und damit auch die Pause, die die russische Protestbewegung sich und Präsident Putin gegönnt hatte. Für Sonntag ist eine Demonstration im Stadtzentrum von Moskau geplant.

Die Genehmigung gilt für maximal 20 000 Teilnehmer, und mehr dürften es auch kaum werden. Seit den Zusammenstößen zwischen Ordnungskräften und Demon᠆stranten am Vorabend der Vereidigung Wladimir Putins für eine dritte Amtszeit Anfang Mai geht es von Mal zu Mal abwärts mit den Teilnehmerzahlen.

Die Führung der Protestbewegung erklärt das gern mit Verschärfungen des Versammlungsrechts und anderen antidemokratischen Gesetzen, unterschlägt dabei jedoch die eigene Schuld an dem Debakel. So scheiterte der letzte Aufmarsch Anfang Dezember daran, dass die Organisatoren hartköpfig an einer Route festhielten, von der vorab klar war, dass die Stadtregierung sie nicht genehmigen würde.

Massive Kritik setzte es von liberalen Gruppierungen, die seit 2003 nicht mehr im Parlament vertreten sind. Irina Hakkamada, vor zehn Jahren die Frontfrau der neoliberalen »Union der Rechten Kräfte«, sah sich sogar gezwungen, bei Radio »Echo Moskwy« eine Meisterklasse für den Polit-Nachwuchs abzuhalten. Thema: Wie organisiert man Allianzen auf der Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners?

Rivalitäten zwischen Linken, Nationalisten und Liberalen, aber auch das Gerangel um Einfluss zwischen Politprofis - Männern, die erst zur Opposition stießen, als sie im Kreml in Ungnade fielen - und den Ikonen virtueller sozialer Netzwerke wie Blogger Alexej Nawalny haben jede Menge verbrannter Erde hinterlassen. Interne Grabenkämpfe lähmen auch den im Oktober gewählten Koordinationsrat, selbst zu Petitessen wird dort nach einem extrem komplizierten Schema abstimmt.

Ein Programm für ein »Russland ohne Putin« fehlt noch immer. Das sei zweitrangig, glaubt der Politikwissenschaftler Michail Winogradow. Gebraucht werde vielmehr plausibles Chaos-Management für die Zeit nach Putins Rücktritt bis zu demokratischen Wahlen. Warum? Alexander Kerenski und seine bürgerliche Regierung hätten nach der Abdankung von Zar Nikolaus II. im Februar 1917 keines gehabt und seien daher unfreiwillig Wegbereiter der Oktoberrevolution gewesen.

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