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Erstklassig, zweiter Güte
Vicki Baum zum 125.
Sie war eine fleißige Handwerkerin. Ihr Werk, zu Lebzeiten als Trivialliteratur abgetan, wird heute wiederentdeckt und bietet mehr als Unterhaltung. Vicki Baum, heute vor 125 Jahren in Wien geboren, verfasste rund vierzig Romane, zahlreiche Theaterstücke, Drehbücher und Zeitungsartikel und das nicht nur zum Vergnügen. Als emanzipierte Ehefrau und Mutter wollte sie finanziell unabhängig bleiben. Sie hatte Talent, konstruierte ihre Geschichten mit großem Geschick, hatte einen Blick für Milieu und Figuren, hinzu kam Sinn fürs Melodram. Und sie hatte Glück: Der renommierte Ullstein Verlag etablierte sie als erste Bestseller-Autorin Deutschlands. Vicki Baum wurde zur Marke. Ihre Bücher erzielten Rekordauflagen.
Der Roman »Menschen im Hotel« von 1929 brachte ihr den internationalen Durchbruch. Moskau, London und New York feierten sie als Star. Am Broadway griff man die Geschichte auf. Auch Hollywood fand Gefallen am Thema und verfilmte den Roman 1932 mit Greta Garbo in der Hauptrolle.
Hollywood umwarb sie, und sie beschloss, in den USA zu leben. Mit den politischen Verhältnissen in Deutschland hatte das wenig zu tun, auch wenn sich die Entscheidung für die Jüdin als richtig erweisen sollte. 1935 wurden ihre Bücher in Deutschland verboten. Sie veröffentlichte weiterhin im Exilverlag im Amsterdam.
Ihre Romane folgten auch später den bekannten Mustern, erzählten von einer Heldin oder machten eine Gruppe zum Thema. Nur die Recherche wurde sehr viel aufwendiger. Für ihre Detailschilderungen reiste sie um die ganze Welt, nach Ägypten, Bali, Europa. »Eine erstklassige Schriftstellerin zweiter Güte«, so hat sie sich selbst genannt. Erfolg hatte sie, aber die literarische Anerkennung stellte sich nicht ein. Vicki Baum starb am 19. Juni 1960 an Leukämie. Weder ihre Familie noch die Öffentlichkeit hatten von der Krankheit gewusst. Ihre Werk lebt weiter. Gerade erst wurde bei Edition Ebersbach ein Roman von ihr wiederentdeckt: »Rendezvous in Paris« über eine Frau, die für ein Abenteuer - oder vielleicht auch für eine Liebe - ihre bürgerliche Existenz aufs Spiel setzt.
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