Recht auf Genuss

KULINARISCHER RATGEBER

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 2 Min.

Warum nur, fragt man sich nach der Lektüre dieses Buches, hält sich das Vorurteil von den genussfeindlichen deutschen Linken so hartnäckig? Rainer Balcerowiak, Autor von »Der kulinarische Notfallkoffer«, jedenfalls kann mit diesem Vorurteil nicht gemeint sein, ist er doch Gegenteil eines Linken, der meint, seine Solidarität mit dem Proletariat durch den Verzehr billigen Rotweins, schäbigen Käses und Unmengen von Hackepeter unter Beweis stellen zu müssen.

Es gibt ein Menschenrecht auf kulinarische Genüsse! Das Buch ist Anklageschrift und Ratgeber in einem. Gleich im ersten, titelgebenden Kapitel rechnet Balcerowiak mit den »Genossen« ab. Angesichts der Zumutungen auf manchen Partys empfehle es sich, einen »Kulinarischen Notfallkoffer« bei sich zu haben. Diesen Koffer, den der Autor tatsächlich mit sich führt, enthält z.B. Austern, geschmorte Wachteln, marinierte Großgarnelen, Rohmilchkäse und einen dazu passenden Wein. Aber, bitte sehr, »keine Flüssigkeiten wie ›Soave‹ oder ›Merlot aus Chile‹«!

Man kann sich lebhaft vorstellen, welche Reaktionen Balcerowiak mit derlei Ausstattung auf Studentenfeten oder Gewerkschaftspartys erntete. Aber, so der Autor, er sei nicht nur des »dekadenten Snobismus« bezichtigt worden, mancher habe interessiert nach den Rezepten und Bezugsquellen der Kofferingredienzien gefragt - heimlich, versteht sich.

Apropos Bezugsquellen: Der Autor rechnet nicht nur mit dem schlechten Geschmack, Lebensmittelfälschern, Weinpanschern und PR-Täuschern ab, er porträtiert auch liebevoll Nachwuchswinzer und Vertreter guter Küche.

Rainer Balcerowiak: Der kulinarische Notfallkoffer, Verlag Mondo Communications, Heidelberg 2012, 157 S., 14,95 Euro.

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