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Schnellstraße wird Promeniermeile

Die Pariser bekommen ihre Seine-Kais zurück

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit Montag ist die Schnellstraße am linken Seine-Ufer in Paris definitiv für Autos gesperrt. Auf diesen 2,3 Kilometern zwischen dem Orsay-Museum und dem Eiffelturm wird in den nächsten Monaten die Straße aufgerissen und durch das historische Pflaster der Kais sowie einen Plattenweg für Fußgänger und eine Piste für Radfahrer ersetzt.

Nun wird das linke Seine-Ufer bald wieder den Fußgängern gehören. Es war ein schwerer Weg bis zum endgültigen Aus für die Schnellstraße.Die Kais gehören dem Pariser Hafen und sind somit Staatseigentum. Durch den Sieg der Linken im vergangenen Jahr wurde nun der Weg frei für die bürgernahe Umgestaltung der seit 1992 von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannten Seine-Kais.

In den 1960er Jahren waren beide Ufer auf Initiative des Staatspräsidenten und Porsche-Fahrers Georges Pompidou, der »Paris autogerecht umbauen« wollte, in Schnellstraßen verwandelt worden. Auf dem rechten Ufer ist diese nach wie vor durchgehend und stellt die schnellste Verbindung zwischen dem westlichen und dem östlichen Stadtrand dar. Auf dem linken Ufer dagegen standen an beiden Ausläufern unverzichtbare Hafenanlagen für Baumaterial und Abraumschutt im Wege, so dass die Schnellstraße nie über den Abschnitt zwischen dem Stadtzentrum und dem Marsfeld hinauskam.

Doch auch damit ist es nun vorbei. Künftig müssen hier die Autos die ampelreiche Straße oberhalb des Ufers nehmen. Um diese Veränderung gab es im Stadtrat seit zwei Jahren einen erbitterten Kampf zwischen der rot-grünen Stadtregierung unter Bürgermeister Bertrand Delanoe und der rechten Opposition, die die Interessen der Autofahrer verteidigte und gigantische Stauteufel an die Wand malte. Dem hielt der Bürgermeister eine in seinem Auftrag erstellte Studie entgegen, wonach sich für die Autos durch den geringfügigen Umweg mit den Ampelkreuzungen nur eine Verlängerung der Fahrzeit durch die Stadt um sieben Minuten ergeben wird.

Das ist sicher genauso geschönt wie das rechte Horrorszenario übertrieben ist. Die Realität, die die Autofahrer erwartet, wird wohl irgendwo in der Mitte liegen. Dem dürfte ein Gewinn an Lebensqualität für die Pariser und die Touristen gegenüberstehen, denn das so zurückgewonnene Ufer soll einfallsreich gestaltet werden. Die 35 Millionen Euro, die die Stadt für den Uferumbau eingeplant hat, dienen nicht nur dem neuen Pflaster, sondern damit sollen auch zusätzliche Anlegestellen für Restaurant- und Ausflugsschiffe gebaut werden. Hinzu kommen kleine Parks und Spielplätze - einige sogar auf Pontons im Fluss - sowie Flächen, die an private Interessenten vermietet werden sollen, die hier Straßen-Cafés einrichten. Nahe dem Orsay-Museum wird eine breite Treppe gebaut, die von der oberhalb des Ufers verlaufenden Straße zum Seine-Kai hinabführt. Hier wird auf einem Ponton im Fluss in den Sommermonaten eine riesige Leinwand installiert, so dass man an den Abenden für die auf den Stufen sitzenden Zuschauer Filme zeigen kann.

Für das rechte Seine-Ufer hat die Polizeipräfektur ihr Veto gegen einen Rückbau der Schnellstraße eingelegt, die pro Stunde von bis zu 4000 Autos benutzt wird und somit für den Verkehrsfluss unverzichtbar ist. Hier konnte der Bürgermeister, dessen erklärtes Ziel es ist, den Autofahrern das Leben so schwer wie möglich zu machen, um sie zum Umsteigen auf die öffentlichen Verkehrsmittel zu bewegen, nur eine Unterbrechung des Fahrzeugflusses durch vier Fußgängerampeln durchsetzen. Im Bereich des Stadtzentrums wurde die zweispurige Autostraße um einen Meter verengt, so dass man den für Spaziergänger erreichbaren Uferstreifen zwischen der Straße und dem Fluss entsprechend verbreitern konnte.

Aber im Juli und August gibt es auch hier auf einem mehr als einen Kilometer langen Abschnitt im Zentrum vier Wochen lang keine Autos. Dann wird Sand aufgeschüttet, werden Palmen in Kübeln aufgestellt und Liegestühle über das Ufer verteilt, so dass sich die nicht verreisten Einwohner und ihre Kinder bei »Paris Plage« wie am Strand fühlen können. Diese vor mehr als zehn Jahren geborene und umgesetzte Idee wurde inzwischen in vielen Städten der Welt mit ähnlich großem Erfolg aufgegriffen.

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