37 Euro gefährden die Familien

Erika Takano-Forck über das neue Konzept für das Berliner Schulessen

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Das neue Konzept fürs Berliner Schulessen wurde gestern im Senat beschlossen. Nach der langen Debatte dazu und der Kantinenkrise im vergangenen Jahr sind die Pläne von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) für Sie »Schwere Kost« oder eher »Süße Nachspeise«?
Takano-Forck: Nach der Kantinenkrise ist das natürlich eine süße Speise, weil man deutlich erkennt, dass es einen großen Willen zur Veränderung gibt. Aber wir sehen auch, dass die Umsetzung eine schwere Kost werden könnte, denn vieles ist noch nicht geregelt.

Was ist Ihre Hauptkritik an den Plänen der Senatorin?
Wir kritisieren, dass der Elternbeitrag 37 Euro pro Monat kosten soll. Der zukünftig anders Härtefallfonds, der soziale Ungleichheiten abfedern soll, ist noch nicht wirklich dargestellt worden. Jedenfalls ist er uns nicht bekannt.

Die Umstellung für das neue Schulessen in Berlin soll nach und nach bis Februar 2014 durchgeführt werden. Bis dahin gibt es eine Umstellungsphase. Dauert das nicht viel zu lange?
Verbesserungen bei der Qualität sollten so schnell wie möglich passieren: In einigen Bezirken ist die Qualität des Essens nach Neuausschreibungen rapide gesunken. Hier muss das Land mehr Mittel zur Verfügung stellen, damit die Bezirke den Caterer wechseln können. Solange die Qualität nicht gesichert ist, sollten die Elternbeiträge für das Essen nicht auf 37 Euro steigen.

Die Senatorin sagt, Basis für ihre Schulessen-Berechnungen ist, 70 Prozent zahlen die Eltern, 30 Prozent kommen vom Land Berlin.
Wir sagen, die Eltern können maximal 50 Prozent übernehmen. Bei 37 Euro sind Mehrkindfamilien oder auch Eltern mit unteren und mittleren Einkommen dagegen gefährdet, weil die Kinder vom Essen abgemeldet werden - und damit auch aus den Horten. Dann fallen diese Kinder zudem aus der Hausaufgabenbetreuung mit raus. Das wäre nicht im gesellschaftlichen Sinne.

Beim Schulessen geht es nicht nur um das Geld, sondern auch um die Qualität der Speisen. Sehen Sie diesen Anspruch umgesetzt?
Das Schulessen braucht einen klaren Stellenwert im Bildungsauftrag. Es kann nicht sein, dass Lehrer was vom gesunden Essen erzählen und dann landet was ganz anderes auf dem Teller, was auf dem Müll landet. Kinder sollen stattdessen mitbestimmen, dann essen sie lieber und lernen zugleich demokratische Teilhabe. Wir begrüßen auch, dass laut Senatsvorlage Schulkommissionen die Qualität sicherstellen sollen.

Das Vorhaben muss noch durchs Abgeordnetenhaus. Warum sollen die Abgeordneten zustimmen?
Es gibt immer mehr Kinder, die unter krankhafter Fettsucht leiden. Dem leistet man Vorschub, wenn sie aus
dem natürlichen Essensrhytmus fallen und unterzuckert schnell verfügbare Energien zu sich nehmen. Regelmäßiges, gutes Essen ist da das beste Gegenmittel. Denn es reduziert die Folgekosten ernährungsbedingter Erkrankungen.

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