EU bittet Finanzwelt zur Kasse

Kommission legt Gesetzentwurf zur Einführung der Transaktionssteuer vor

  • Kay Wagner, Brüssel
  • Lesedauer: 3 Min.
Europa schafft eine Weltpremiere: Erstmals will eine Region (fast) alle Banken- und Börsengeschäfte besteuern. Dies soll Zockern und Spekulanten das Handwerk legen.

Eine Steuer auf Finanzgeschäfte - elf EU-Mitgliedsländer wollen ernst damit machen. In ihrem Auftrag hat die EU-Kommission nun einen Gesetzestext erarbeitet, der die Details regelt. Die Alltagsgeschäfte der Bürger wie Geldabheben bei der Bank oder Aufnahme eines Kredites, aber auch die Erstausgabe von Staatsanleihen sollen von der neuen Steuer nicht betroffen sein, wie EU-Steuerkommissar Algirdas Šemeta bei der Vorstellung des Entwurfs am Donnerstag in Brüssel erläuterte.

Die EU-Kommission und die elf willigen Länder wollen damit die Finanzwelt zur Kasse bitten. Der Sektor bezahle viel zu wenig Steuern, habe aber als Verursacher der Finanzkrise von öffentlichen Geldern kräftig profitiert. Das müsse anders werden. Dabei zeigt sich die EU-Kommission noch mild: Der Steuersatz soll 0,1 Prozent bei Geschäften mit Aktien und Anleihen betragen, bei Derivaten oder Termingeschäften 0,01 Prozent. Jedes Land kann die Sätze höher festlegen. Insgesamt 30 bis 35 Milliarden Euro jährlich könnte die Steuer in die Staatskassen von Deutschland, Frankreich, Belgien, Österreich, Slowenien, Portugal, Griechenland, die Slowakei, Italien, Spanien und Estland spülen.

Dem Ausweichen der Finanzakteure auf Handelsorte in anderen Ländern, um der Steuer zu entgehen, versucht die Kommission einen Riegel vorzuschieben. Denn die Steuer soll auch für Transaktionen etwa an Börsen in London, New York oder Singapur fällig werden, wenn der Wohnsitz eines Handelspartners oder der Ausgabeort der Wertpapiere in einem der Teilnehmerstaaten liegt.

Diese Regelung sorgt indes für Kritik. Journalisten fragten den Kommissar, wie es mit möglichen Doppelbesteuerungen in EU-Staaten wie Großbritannien aussieht, die nicht teilnehmen, aber die betreffenden Finanzprodukte schon heute besteuern. Hier müsse man einzelstaatliche Regelungen treffen, blieb Šemeta unkonkret. Aus seiner Sicht sollten ohnehin am besten alle 27 EU-Mitgliedsstaaten die neue Steuer einführen. Einen entsprechenden Vorschlag hatte er im September 2011 vorgelegt. Doch da dieser nicht keine Einstimmigkeit erreichte, einigten sich die EU-Finanzminister darauf, dass die elf genannten Länder eine Finanztransaktionssteuer einführen können. Andere EU-Mitglieder können jederzeit beitreten.

Kritik erschallt auch aus Übersee. Das US-Finanzministerium droht, gerichtliche Schritte gegen die Steuer prüfen zu wollen. Šemeta zeigte sich unbeeindruckt von diesem Gepolter. Zum einen seien die neuen Regeln im Einklang mit internationalem Recht, zum anderen werde er nächste Woche selbst in die USA reisen und dort klärende Gespräche führen.

Am 1. Januar 2014 soll die Steuer in den elf Ländern eingeführt werden. Bis dahin müssen noch die Mitgliedsstaaten und das Europaparlament dem Gesetzesvorschlag zustimmen. Allerdings hält Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici eine Einführung erst Ende 2014 für machbar.

Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament, äußerte sich zufrieden. Der Vorschlag sei »Grund zur Freude für alle in der Zivilgesellschaft, von Attac über Kirchen, Gewerkschaften bis hin zu Entwicklungsorganisationen, die über 15 Jahre für die Finanztransaktionssteuer gestritten haben«, teilte Giegold mit. Zugleich warnte er: »Der Erfolg hängt von den Details in der Umsetzung ab. Nichts wäre schlimmer, als wenn die Idee der Steuer durch Sonderinteressen oder handwerklich schlechte Umsetzung verbrannt würde.«

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