Frauen bauen lieber etwas auf, als zu blockieren
CARCASSONNE: Ex-Weltmeisterin ELS BULTEN und das Spiel um eine alte Stadt, das Menschen verbindet
Die Stadt auf ihrem Hügel, mit Kirchtürmen und Patrizierhäusern hinter wuchtigen Mauern unter dem blauen Himmel Südfrankreichs: Das ist die Cité von Carcassone, hoch über dem Fluss Aude im Languedoc-Roussillon (Foto rechts: Tilio & Paolo). Diesem magischen Ort, wo jeder Stein süße Melancholie atmet, kann man sich, auch spielerisch nähern. Nämlich mit dem Spiel »Carcassonne«, bei dem es darum geht, aus Legekarten eine mittelalterliche Landschaft zu kreieren. Jüngst hatten wir auf dieser Seite kurz auf die Würfelvariante des erfolgreichen Spiels verwiesen. Heute nun die Philosophie und die Tricks des Originals - vorgestellt von der Carcassonne-Weltmeisterin von 2011, der Niederländerin Els Bulten (28), die in der Kommunalverwaltung von Nijmegen arbeitet.
● Sind Sie schon mal in Carcassonne gewesen?
Nein, bisher noch nicht. Aber das möchte ich unbedingt mal tun.
● Was reizt Sie am Spiel »Carcassonne«?
Dass keine Partie der anderen gleicht. Sie können an der Stadt bauen oder Straßen anlegen oder die Bauern auf den Feldern in günstige Positionen bringen. Es gibt die unterschiedlichsten Optionen, um zu punkten.
● Carcassonne ist ein Strategiespiel. Mit einem grundlegenden Unterschied zu anderen Vertretern des Genres: Hier geht es offenbar primär nicht darum, mein Gegenüber auszuschalten, sondern interaktiv etwas zu schaffen, durch Aus- und Anlegen der Karten auf dem Tisch.
So ist es, und das macht die Faszination aus. Vor allem gilt das für ein Spiel im Freundeskreis: Da baut man gemeinsam eine wunderschöne große Stadt. Allerdings nicht so bei Turnieren. Dort wird die eigene Kreativität durchaus konkurrenzbetont eingesetzt, um wichtige Geländeabschnitte unter Kontrolle zu bekommen und den Gegner einzukesseln.
● Bei den Weltmeisterschaften sind Sie bis auf wenige Mitstreiterinnen fast allein unter Männern gewesen. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Viele Frauen spielen Carcassonne, aber Turniere sind weniger ihr Ding. Spiel als ernsthafter Wettkampf: Das scheint wohl doch eher etwas für die Kerle zu sein.
● Warum?
Frauen wollen lieber etwas aufbauen, sie wollen nicht unbedingt das zerstören, was einem anderen gehört. Während man ja im Wettkampf den Gegner beklauen und blockieren muss, damit man letztendlich die Oberhand gewinnt.
● Wie hat Ihre Leidenschaft für Carcassonne angefangen?
Zuerst spielte ich nur in der Familie und im Freundeskreis. Bis ich mich irgendwann zur Niederländischen Meisterschaft anmeldete und auf Anhieb den zweiten Platz schaffte. 2011 holte ich mir dann gar den WM-Titel.
● Mit dem vierten Platz auf der WM 2012 in Essen haben Sie erneut Ihre Klasse unterstrichen. Was brauche ich, um gut in Carcassonne zu werden?
Vor allem ein super Gedächtnis. Die Karten, aus denen Sie das Szenario von Carcassonne gestalten, sind ja zunächst verdeckt abgelegt. Deswegen müssen Sie wissen, aus welchem Stapel gerade die Karte, die Sie aktuell brauchen, gezogen werden kann.
● Wie und wie oft trainieren Sie?
Ich spiele viel online, im Durchschnitt vier Matches pro Woche. Ansonsten bin ich aber nicht allein auf Carcassonne fixiert. Ich mag Brettspiele ganz allgemein, sofern es dabei um Strategie geht.
● Was beeindruckt Sie so am Spielen?
Das Schöne am Spiel ist, dass es die Menschen verbindet. Das zeigt sich - auch wenn es da ja sportlich gegeneinander geht - gerade auf Veranstaltungen wie der Carcassonne-WM. Leute aller Nationalitäten treffen sich, weil alle das Spiel lieben.
● Fehlt jetzt eigentlich nur noch, dass Sie nach Carcassonne reisen, um Carcassonne zu spielen!
Das wäre wunderbar.
Gespräch: René Gralla
Regeln des Spiels Carcassonne, das im Münchner Verlag Hans im Glück erschienen ist: de.wikipedia.org/wiki/Carcassonne_(Spiel); weitere Infos: www.hans-im-glueck.de
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