Die Blumenfrauen vom Perlfluss

Macau ist ein buntes Gewusel zwischen traditionellem Leben und moderner Boomtown

  • Axel Pinck
  • Lesedauer: 3 Min.

Langsam wird es hell am Ufer des Zhujiang-Flusses. Ein bläulicher Schimmer liegt über dem Wasser. Schmale Taxiboote, Sanpans, tuckern vorbei, gesteuert meist von Frauen. Sie transportieren Waren oder bringen Menschen von Festlandchina über den Fluss zur Arbeit. Aufgeschnittene Autoreifen an deren spitzem Bug dienen als Puffer, vor dem leichten Regen schützt ein aufgespannter Schirm. Hinter den Piers des »Cais de Sampanas Sul« ist die Stadt längst erwacht. Mopeds knattern unüberhörbar in ganzen Pulks vorbei. Einige Mini-Lastwagen mit offener Ladefläche parken bereits entlang der Straße. Am Pier zupfen erwartungsvoll aufs Wasser schauende Beamte der Zollpolizei von Macau ihre Uniform zurecht.

Und da kommen sie schon. Zuerst in der Ferne als kleine Punkte erkennbar, die rasch größer werden. Hoch beladene Schiffe, die noch mitten in der Nacht von einem Hafen am Ufer des breiten Perlflusses aufgebrochen sind. Pünktlich um 7 Uhr landen die ersten der bauchigen Lastkähne mit elegantem Schwung. Schnell, schnell, von Bord. An der Zollstation gibt es eine Schlange, die schnell kürzer wird. Alles Routine, entspannte Atmosphäre, die Papiere für das Tagesvisum und die Arbeitserlaubnis sind bereits vorbereitet. Die kurze Wartezeit nutzen die meisten für einen Plausch, Kopftücher werden gebunden, für andere eine gute Gelegenheit für ein schnelles Frühstück im Stehen, eine Schale Nudeln oder Reis.

Die Mini-Laster an der Straße werfen ihre Motoren an. »Hoi, hoi, hoi«, blitzschnell entladen die rund 200 Blumenfrauen die mit frisch geschnittenen Sträuchern, farbenprächtigen Blumen und Körben voll gestapelten Schiffe. Im Laufschritt geht es mit riesigen Gebinden auf dem Rücken die Pier hoch, der Markt wartet nicht. Üppige Blumensträuße, Nelken, Dahlien, gelb, rot, alle Farben, Zier- und Dekosträucher, Gladiolen, Bambusstangen, geflochtene Körbe oder dekorative Rankhilfen verlassen die Decks der Schiffe und werden auf die bereitstehenden Pritschenautos verladen. Zwischendurch legen immer wieder die kleinen beweglichen Sanpans an. Viele Frauen und einige wenige Männer hasten mit riesigen bunten Plastiktüten, voll mit Gemüse und Früchten zum Verkauf, die Planken zur Zollabfertigung hoch. Einige schleppen Wasserbehälter mit lebenden Fischen zu den wartenden Fahrzeugen.

Vieles geht direkt zu den inzwischen rund drei Dutzend Spielkasinos vor allem auf der Insel Kotai, doch das meiste landet auf den Märkten der früher portugiesischen Kolonialstadt. Schließlich leben hier gut 550 000 Menschen auf 21 Quadratkilometern, eine der dichtesten Populationen weltweit. Seit mehr als einem Dutzend Jahren gehört Macau zur VR China, zieht aber, ähnlich wie Hongkong, als kapitalistische Boomtown Nutzen aus dem Prinzip »Ein Land, zwei Systeme«.

Nur in den Shopping Passagen hinter dem Largo do Senado und in den Gassen rund um den »Red Market« ist vom Gewusel auf den Straßen, mit Pkw, Mini-Lastern und rund 90 000 Mopeds nichts zu sehen. Hier wird alles verkauft. Buddha-Statuen und Mao-Bilder, Seidenschals, geräucherte Enten und getrocknete Fleischfladen, eine Art chinesischer Fastfood-Snack, Ingwer, Gewürze, diverse Kohl- und Gemüsesorten, Mangos, aber auch Unbekanntes, wie Javafrüchte, deren zartes Fruchtfleisch nach Ananas und Apfelsinen schmeckt. Oktopusse und Krebse aus dem Südchinesischen Meer türmen sich auf den Ständen. Mit scharfem Küchenbeil entschuppen und portionieren Marktfrauen rote und gelbe Fische, die im häuslichen Wok nur noch kurz gegart werden müssen. Mittendrin, umgeben von vielfarbigen Blüten, sind auch die Blumenfrauen von den Booten wieder zu finden, die nach einem langen Arbeitstag erst abends auf dem Perlfluss nach Hause fahren werden.

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