Linke will Personalabbau stoppen

Die Berliner Abgeordnetenhaus-Fraktion diskutiert auf Klausur Öffentlichen Dienst, Rekommunalisierung und Wohnen

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Wo liegen die politischen »Bruchpunkte« in den nächsten Jahren? Diese Frage gemeinsam mit potenziellen Bündnispartnern zu beantworten, das sei die zentrale Aufgabe der Linksfraktion, formuliert Ex-Wirtschaftssenator Harald Wolf den Anspruch für die Frühjahrsklausur der Sozialisten im brandenburgischen Rheinsberg. Vom vergangenen Freitag bis Sonntag gingen die 19 Abgeordneten der Linksfraktion der Frage nach, wie sie trotz schwacher Aufmerksamkeit in den Medien stärker öffentlich wahrgenommen werden können. Denn anders als die oppositionelle Konkurrenz von den Grünen will die Linksfraktion auch in Zukunft nicht auf Krawall-Opposition setzen. »Pleiten-, Pech- und Pannenreden bringen absolut nichts«, betont Harald Wolf.

Die Berliner Linksfraktion will dagegen mit eigenen Inhalten glänzen. »Wir wissen aus zehnjähriger Regierungszeit, dass es nicht reicht, einfach Forderungen in die Luft zu blasen«, sagt Fraktionschef Udo Wolf. »Bruchpunkte«, also zentrale Schwerpunkte sind demnach aus Sicht der Fraktion die Funktionsfähigkeit des Öffentlichen Dienstes in der Stadt, das weite Feld der Rekommunalisierung sowie die große Problematik des bezahlbaren Wohnens in Berlin. Zu allen drei Schwerpunkten gibt es verschiedene Papiere, die in Rheinsberg unter den Abgeordneten teils kontrovers diskutiert werden.

Themen der Linksfraktionsklausur

● Öffentlicher Dienst: Der Stellenabbau soll gestoppt werden. Mit rund 220 Millionen Euro will die Fraktion Neueinstellungen sowie Aus- und Fortbildungen finanzieren, damit die Verwaltung weiter funktioniert.

● Rekommunalisierung: Die Fraktion schlägt eine Gesamtstrategie für den Umbau der energiewirtschaftlichen Strukturen vor, die über die Konzessionen für das Strom-, Gas- und Fernwärmenetz und die Bildung eines Stadtwerkes hinausführt.

● Wohnen: Die Fraktion will sich für bezahlbare Mieten für kleinere und mittlere Einkommen einsetzen. Kleingartenflächen und Grünanlagen sollen nicht für den Wohnungsneubau geopfert werden. Zudem soll der Wohnungsbestand sozialverträglich weiterentwickelt werden. MK

 

Klar ist auch: Wer in der politischen Debatte zu Berliner Themen wirken will braucht über die Linkspartei hinaus Bündnispartner. Den Bereich des Öffentlichen Dienstes betreffend gibt es dazu eine gute Nachricht: Nachdem durch die massiven Kürzungen während der rot-roten Regierungszeit die Beziehung zu den Gewerkschaften stark gestört war, ist in Rheinsberg mehr als eine nur zarte Wiederannäherung festzustellen. »Eure Ansätze sind gut und wir bleiben in engem Kontakt«, erklärt die ver.di-Bezirksvorsitzende von Berlin-Brandenburg, Susanne Stumpenhusen. Auch die DGB-Vorsitzende von Berlin-Brandenburg, Doro Zinke, ist gekommen, um Wohlwollen für die Pläne der LINKEN zum Öffentlichen Dienst zu signalisieren.

Einig sind sich Gewerkschaften und LINKE in der Analyse: Wird nicht sofort gegensteuert, ist der Öffentliche Dienst in Berlin schon bald nicht mehr funktionsfähig – mit allen dramatischen Folgen für den sozialen Frieden in der Stadt. Die Linksfraktion fordert deshalb nichts weniger als einen »Paradigmenwechsel« im Umgang mit dem Öffentlichen Dienst: Dazu zählt als erster Schritt ein Stopp des Personalabbaus. Zudem soll der Senat ein »Personalentwicklungskonzept« entwickeln, dass sich an den tatsächlichen Bedürfnissen der Beschäftigten orientiert und nicht mehr an reinen Zahlenspielen. Um die Stadtverwaltung und ihre Behörden am Laufen zu halten, will die Linksfraktion darüber hinaus auch die Finanzen für Aus- und Fortbildungen sowie Neueinstellungen massiv aufstocken: Rund 220 Millionen Euro sollen dafür im Haushalt im Jahr bereitgestellt werden.

Während das Papier zum Öffentlichen Dienst am Sonnabend von der Linksfraktion beschlossen wurde, stehen die Diskussionen zum komplizierten Thema Wohnen und Liegenschaften noch am Anfang. »Wir sind uns in der Analyse noch nicht einig«, sagt Michail Nelken, der ein eigenes Papier zu den Senatsplänen für den Bereich Wohnen bis zum Jahr 2025 verfasst hat. Bei allen Unterschieden sind sich die Abgeordneten allerdings einig darin, dass es um bezahlbaren Wohnraum für diejenigen gehen muss, die nur kleine oder mittlere Einkommen zur Verfügung haben.

Weiter fortgeschritten ist da die Debatte zum Leib-und-Magen Thema der LINKEN, der Rekommunalisierung. Insgesamt 50 000 Unterschriften will die Partei für das laufende Volksbegehren zur Rekommunalisierung des Stromnetzes beisteuern. Die Fraktion im Abgeordnetenhaus will ihren Teil dazu beitragen, dass das schmale Zeitfenster zur Rekommunalisierung der Stromnetze genutzt wird. Wobei auch die Konzession der Fernwärme- und Gasnetze eine Rolle spielt. »Wir brauchen eine Gesamtstrategie für die Energiewirtschaft sagt«, sagt Harald Wolf, der das energiepolitische Papier für die Klausur verfasst hat. In diesem wird die bevorstehende Konflikt um die Rekommunalisierung der Energienetze vorweggenommen. »Wenn die heiße Vergabe der Stromnetze kommt, wird Vattenfall dem Land Berlin alle Folterwerkzeuge zeigen«, ist sich Harald Wolf sicher. Dazu zähle die Drohung einer Verlegung der Konzernzentrale von Vattenfall Europe aus Berlin nach Hamburg wie der Abbau von Arbeitsplätzen. Wer hier gegensteuern will, so Wolf, könne etwa über die Wegerechte bei der Fernwärme eine Standort- und Beschäftigungssicherung von Vattenfall erzwingen. So oder so hat die Kommune Berlin nur dann eine Chance, wenn sie beweisen kann, dass sie genauso wie Vattenfall das Stromnetz betreiben kann, meint Harald Wolf. Und dazu brauche es kommunale Partnerunternehmen, die das schon mal gemacht haben.

Wer erfolgreich rekommunalisieren will, muss allerdings auch die Beschäftigten der Unternehmen der Öffentlichen Daseinsvorsorge berücksichtigen, mahnen die Gewerkschaften. »Die Kollegen befinden sich in der Schockstarre«, sagt ver.di-Bezirkschefin Susanne Stumpenhusen. Von einer Rücküberführung in kommunalen Besitz sind nicht viele begeistert, schließlich hat sie das Land Berlin schon mal einmal in den 90er Jahren verkauft. »Sie können nicht erwarten, dass die Beschäftigten beispielsweise bei den Wasserbetrieben jubilieren«, betont Stumpenhusen. Wichtig sei daher, mit den Betroffenen ins Gespräch zu kommen.

Diesbezüglich steht auch die LINKE nach ihrer Klausur am Anfang: Denn jetzt gilt es, die komplexen Papiere so herunterzubrechen, dass sie von den Berlinern verstanden werden – sicher keine geringe Aufgabe.

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