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Korruption in der Kurie?

Gianluigi Nuzzi / Der italienische Journalist schreibt vor allem über Vatikan-Skandale

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Sie haben mit der Veröffentlichung vieler brisanter Dokumente aus dem Büro des Papstes den »Vatileaks«-Skandal ausgelöst. Wie muss man sich die Verhältnisse in der Kurie vorstellen?
Nuzzi: Es gibt verschiedene Machtgruppen und Interessen, die sich teilweise bekämpfen, aber auch überlagern. Man sollte meinen, solche Machtspiele hätten in der Kirche nichts verloren. Aber das Gegenteil ist der Fall. Es gibt enormen Ehrgeiz, Karrieristen, Verschwörungen, krumme Geschäfte und Korruption. Zuletzt war auch noch von einer Homosexuellen-Lobby die Rede.

Sind solche Gerüchte ernst zu nehmen?
Durchaus, homosexuelle Beziehungen sind im kirchlichen Milieu ein Element, das Abhängigkeiten und Erpressungen begünstigen kann. In der Kurie wird das übrigens alles sehr relativ gesehen.

Was meinen Sie damit?
Paolo Gabriele, der ehemalige Kammerdiener Benedikts XVI., erzählte mir von einem Kardinal und sagte über ihn, der hätte »das Laster«. Ich fragte ihn, was er denn damit meine. Paolo sagte, der Kardinal habe sexuelles Interesse an Kindern. Das klang so, als ob dieses »Laster« in der Kurie weit verbreitet sei. Paolo sprach darüber in einem Ton, als ob das nichts Besonderes sei, sondern durchaus vorkomme. Das macht schon sehr nachdenklich.

Ein anderer Vorwurf ist der der Korruption in der Kurie.
Da geht es um Firmen, die Aufträge aus dem Vatikan bekommen und zu diesem Zweck Kirchenfunktionäre bestechen, Mitarbeiter der Behörden, die Entscheidungen fällen oder steuern können. Den Vorwurf hatte Bischof Carlo Maria Viganò, Generalsekretär des Governatorats, also der Staatsverwaltung des Vatikans, erhoben. Viganò nannte auch Namen.

Viganò wurde anschließend als Nuntius nach Washington wegbefördert. Wie operieren die Lobbygruppen im Vatikan, die auch seine Versetzung erwirkten?
Diese sogenannten Seilschaften sind Macht- und Interessengruppen in der Kurie. Einer der stärksten Pole war Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone. Für ihn ist Macht ein Selbstzweck, sie ist sein einziges Ziel. Bertone hat viele Kuriale um sich geschart, die seinen Einfluss festigten.

Insbesondere die Vatikanbank birgt unangenehme Geheimnisse.
Die Vatikanbank muss sofort geschlossen werden. Nur dann bricht auch das ganze System aus Geheimnissen, Mysterien, Erpressung und Korruption zusammen. Die Vatikanbank müsste eigentlich eine ethische Bank sein, aber das Gegenteil ist der Fall. Gerichte haben festgestellt, dass die Mafia ihr Geld in den 80er Jahren in der Vatikanbank gewaschen hat. Später lagerten hier die Bestechungsgelder für italienische Politiker.

Wie wirkt der »Vatileaks«-Skandal auf das Konklave?
Die Kardinäle wollen genau wissen, was passiert ist. Sie wollen den Inhalt des Dossiers erfahren, das die von Joseph Ratzinger eingesetzte Kardinalskommission zu den Verhältnissen in der Kurie angefertigt hat. Vor allem jene Kardinäle wollen Klarheit, die aus dem Ausland kommen und die Kurie nicht gut kennen. Das Bedürfnis nach Aufklärung ist gewaltig.

Interview: Julius Müller-Meiningen

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