Gewerkschafter unter Druck

Wie zerrüttet ist das Verhältnis von Funktionären und ihrer Basis?

  • Lesedauer: 3 Min.
Südafrikas Gewerkschaftsdachverband COSATU befindet sich nach Meinung des Generalsekretärs der Regierungspartei ANC, Gwede Mantashe, in einer Abwärtsspirale. Im nd-Interview erläutert Frans Baleni, Generalsekretär der Bergarbeitergewerkschaft National Union of Mineworkers (NUM), die Lage der Gewerkschaften in Südafrika. Mit ihm sprach Armin Osmanovic.

nd: Südafrikas Gewerkschaftsdachverband COSATU scheint gespalten zwischen jenen, die an einer engen Bindung zum ANC festhalten wollen, und jenen, die zur Regierung auf Distanz gehen wollen.Was ist Ihre Position?
Baleni: Ich denke, dass die enge Bindung zum ANC weiter wichtig ist und dass an ihr festgehalten werden muss, doch alle drei Partner der Allianz, also Gewerkschaften, ANC und kommunistische Partei (SACP) müssen voneinander unabhängig bleiben. Wir als NUM wollen nicht die Fehler wiederholen, die etwa die australischen oder britischen Gewerkschaftskollegen begangen haben. Die Gewerkschaften in Großbritannien wollten die Labourregierung stützen und etwa auf Streiks verzichten, daraufhin wendeten sich die Gewerkschaftsmitglieder von ihren Funktionären ab. Wir in Südafrika wollen weiter konsistent für die Belange unserer Mitglieder eintreten, auch wenn der ANC regiert, lassen wir uns nicht von Streiks abhalten.

Nach der Tragödie von Marikana, als die Polizei 34 Bergarbeiter im August 2012 bei einem Arbeitskampf auf einer Platinmine erschoss, wurden Stimmen laut, die COSATU vorwarfen, sich von den Arbeitern entfernt zu haben. Zwelenzima Vavi, COSATUs Generalsekretär, selbst sprach von wachsender sozialer Distanz und Karrierismus in den Gewerkschaften, wie sehen sie dass?
Ich glaube nicht, dass es diese soziale Distanz gibt. Diese Einschätzung weise ich zurück, denn wir sind als Bergarbeitergewerkschafter nah dran an den Arbeitern. Wir reden nicht am Arbeitsplatz über große Politik, unsere Funktionäre in den Betrieben wollen nicht Karriere in der Politik machen. Das ist Quatsch. Ein NUM-Betriebsrat kümmert sich um Arbeitskleidung und Auseinandersetzungen etwa vor dem Arbeitsgericht, dass sind seine Aufgaben. Die Schwäche, die wir als Gewerkschaften haben, ist die mangelnde Fortbildung unserer Funktionäre, daraus resultieren Probleme in der Vertretung der Arbeitnehmerinteressen. So verlieren wir etwa Arbeitsgerichtsprozesse, weil die Funktionäre nicht gut genug vorbereitet sind.

Lassen Sie uns über Marikana und die Folgen für NUM sprechen. Viele Mitglieder haben sich von NUM abgewandt, die Gewerkschaft AMCU konnte viele neue Mitglieder gewinnen. Ist NUM in der Krise?
In den 90er Jahren kämpften Arbeiter für ihre Interessen und bildeten Gewerkschaften in einer Goldmine, auch damals war es sehr gewalttätig. Wir als NUM haben 18 Jahre gebraucht, um die damaligen Mitgliederverluste wieder gut zu machen. Marikana und die Streiks im vergangenen Jahr sind anders, denn die Streiks und die Eskalation haben sich nicht spontan entwickelt, sondern wurden geplant. AMCU ist eine gelbe Gewerkschaft, die anfänglich vom Bergbaumulti BHP Billiton bezahlt wurde, um NUM in den Tarifverhandlungen zu schwächen. Lange wuchs deren Mitgliedschaft nicht. Erst seit 2011 ist AMCU erfolgreicher, vor allem weil sie Gewalt zur Durchsetzung ihrer Ziele einsetzen.

Allein letztes Jahr starben über 200 Menschen bei Arbeitsauseinandersetzungen in Südafrika, warum diese Gewalt?
Der ANC hat gegen das Apartheidregime mit Gewalt gekämpft. Unsere Geschichte ist voller Gewalt. Fast kein Protest läuft ohne Gewalt ab, es ist einfach normal. Ich gebe ihnen ein Beispiel: eine Community kämpft für eine neue Straße, was passiert ist: die neu gebaute Bibliothek wird niedergebrannt. Das macht keinen Sinn, aber so ist das. Wir brauchen als Land endlich eine Art von psychologische Beratung, um diese Gewalt hinter uns zu lassen.

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