Frau Thatcher und der Falklandkrieg

Dokumente offenbaren tiefen Riss innerhalb des damaligen Kabinetts

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 2 Min.
31 Jahre nach dem britisch-argentinischen Krieg um die Falklandinseln - in Argentinien Malvinas genannt - belegen Dokumente, dass selbst innerhalb der damaligen Thatcher-Regierung gestritten wurde, ob das Land wegen des 13 000 Kilometer entfernten Archipels Krieg führen sollte.

Die Inseln mit ihren knapp 3000 Bewohnern meist britischer Herkunft war Anfang April 1982 von Truppen des argentinischen Diktators Leopoldo Galtieri besetzt und im folgenden Krieg von den Briten zurückerobert worden. Der Waffengang kostete 655 argentinische und 254 britische Soldaten das Leben. In einem von Argentinien als belanglos verurteilten Referendum bekräftigten 99,7 Prozent der Falkland-Bewohner erst Mitte März dieses Jahres ihren Wunsch, britisches Überseegebiet zu bleiben.

Die jetzt vom Churchill College Cambridge veröffentlichten Dokumente aus dem Archiv der damaligen Premierministerin Margaret Thatcher offenbaren erstmals so deutlich, dass einige ihrer engsten Berater vor einem Krieg gewarnt hatten. »Die Papiere zeigen, dass im Gegensatz zum damaligen Chauvinismus der Riss in der Falkland-Frage bis ins Innerste von Downing Street ging und sowohl Thatchers Chefökonom Sir Alan Walters als auch ihr Stabschef David Wolfson finanzielle Angebote an die (seinerzeit) 1800 Insulaner vorschlugen, statt eine Militärmacht in den Südatlantik zu schicken«, schrieb der »Guardian«.

Der Chef der Strategiegruppe in Downing Street 10, Sir John Hoskyns, äußerte die Sorge, London könne sich mit einem Krieg »fürchterlich zum Narren machen«. Hoskyn warnte gegenüber Thatcher-Sprecher Bernhard Ingham, es sei »ziemlich unklug«, vom Vorrang der Wünsche der Insulaner zu reden. Ebenso unsinnig sei der Ton der Debatte: »Wenn wir den Konflikt als Kombination aus Stalingrad und El-Alamein behandeln, laufen wir Gefahr, als absurd betrachtet zu werden. Der Konflikt ist kein Kampf um unser Vaterland und unsere Zivilisation.«

Stabschef Wolfson unterbreitete der Premierministerin am 22. April 1982 ausdrücklich den Vorschlag, die Falkländer herauszukaufen und einen Krieg zu vermeiden. Laut britischen Medienberichten über die Thatcher-Dokumente regte Wolfson eine Garantie »von 100.000 Dollar pro Familie und die Chance an, dass sich Falkland-Bewohner bei Gewährung voller Staatsbürgerschaft in Großbritannien, Australien oder Neuseeland niederlassen«. Diese »Bestechungssumme« sollte »Galtieri überzeugen, dass die Falkländer für Argentiniens Souveränität stimmen könnten«.

Auch Finanzminister Sir Geoffrey Howe sprach den Papieren zufolge gegenüber Chefberater Walters von der »Logik« der Kompensationsidee, obgleich sie als Ausverkauf verstanden werden würde. In einem Artikel für eine argentinische Zeitung, so schrieb der »Guardian«, habe Howe 1995 sogar den Vorschlag aufgegriffen, »dass Argentinien jedem Falkländer 475 000 Pfund (580 000 Euro) anbietet, falls er die Inseln verlässt«.

Kritisch äußerte sich in jenen Tagen auch der Tory-Unterhausabgeordnete Marcus Kimball: »Lasst die Argentinier die Falklands mit so wenig Aufhebens wie möglich haben!« Und Ian Gilmour: »Wir begehen (mit dem Krieg) einen großen Fehler. Im Vergleich mit ihm wird Suez wie gesunder Menschenverstand erscheinen …«

nd-Karte: W. Wegener

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