Regierung erwägt Verbot von »Mein Kampf«

Gemeinsame Beratungen mit Israels Kabinett

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 2 Min.
Ende des Jahres 2015 läuft die urheberrechtliche Schutzfrist für Adolf Hitlers Hetzschrift »Mein Kampf« aus. Sie wird dann »gemeinfrei«. Die Bundesregierung prüft nun, wie die Verbreitung des rechten Gedankenguts dann verhindert werden kann.

Die Bundesregierung bezieht auch das israelische Kabinett in ihre Überlegungen über den künftigen Umgang mit der Propagandaschrift »Mein Kampf« ein, die ab dem Jahr 2016 von jedermann gedruckt und verbreitet werden kann. Das geht aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion hervor, die der Bundestag vor kurzem veröffentlicht hat. Es bestehe in Deutschland und Israel ein »gemeinsames Interesse an einer wirksamen Verhinderung der Verbreitung dieses menschenverachtenden Gedankenguts«, heißt es in der Antwort.

Im Jahr 2016 endet die Schutzdauer 70 Jahre nach dem Tod des Verfassers Adolf Hitler. Bisher wurde eine Verbreitung des Textes vom Freistaat Bayern verhindert, der nach dem Ende der faschistischen Diktatur Inhaber der Urheber- und Verlagsrechte wurde. Weil Hitler bis zu seinem Tod mit Wohnsitz in München gemeldet war, wurde sein von den Alliierten beschlagnahmtes Vermögen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs vom Freistaat eingezogen.

Ein ausdrückliches Publikationsverbot des vollständigen Textes von »Mein Kampf« wäre laut Bundesregierung an der im Grundgesetz verbürgten Pressefreiheit zu messen. Dieses Grundrecht gilt nicht vorbehaltlos, sondern findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen, zu denen auch das Verbot der Volksverhetzung zählt. Allerdings ist es auch jetzt schon kein Problem, sich »Mein Kampf« zu besorgen. Die Nazi-Schrift kann auf diversen Internetseiten gelesen werden. In einigen Ländern ist sie im Buchhandel erhältlich.

Das Institut für Zeitgeschichte (IfZ) will mit bayerischer Unterstützung Ende 2015 eine kommentierte Version des Textes veröffentlichen. Es soll eine seriöse Ausgabe produziert werden, bevor rechte Verlage »Mein Kampf« mit entsprechender Sensationsmache zum kommerziellen Nutzen verkaufen. Trotzdem hatten Vertreter Israels sowie deutsch-jüdische Verbände Einwände gegen diese Publikation erhoben. In Israel ist es vor allem für Organisationen von Holocaustüberlebenden eine Horrorvorstellung, dass die antisemitische Propagandaschrift in Deutschland überhaupt wieder aufgelegt werden könnte. Daraufhin hatte sich im Dezember vergangenen Jahres der bayerische Landtag darauf geeinigt, eine Expertenkommission einzusetzen, zu der deutsche und israelische Wissenschaftler gehören. Ihre Aufgabe ist es, eine Veröffentlichung von »Mein Kampf« ergebnisoffen auf urheber-, straf- und völkerrechtliche Relevanz zu überprüfen.

Die Bundesregierung steht hinter dem Projekt des IfZ und erwägt offenbar nur, die Verbreitung unkommentierter Ausgaben zu verhindern. Sie betont zwar, dass das Vorhaben des Instituts nicht auf ihre Initiative zurückgehe. Allerdings könne es »im Sinne einer fundierten historischen Aufarbeitung der nationalsozialistischen Diktatur sachgerecht sein«.

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