Endlager Meer

114 726 Tonnen Atommüll im Nordatlantik

  • Ulrike Kumpe
  • Lesedauer: 2 Min.
Eine neue Fernsehdokumentation deckt die »vergessene« Entsorgung von Atommüll vor Europas Küsten auf.

Im Meer vor Europas Küsten liegen 114 726 Tonnen Atommüll. Das ist die erschreckende Bilanz, die Manfred Ladwig und Thomas Reutter in ihrer neuen Fernsehdokumentation »Versenkt und vergessen. Atommüll vor Europas Küsten« ziehen.

Ladwig und Reutter beleuchten damit ein kaum beachtetes Kapitel beim Umgang mit radioaktivem Müll. Sie berichten von der Verklappung im Nordostatlantik, dem Ärmelkanal und der irischen See von den 1950er Jahren bis in die 1970er hinein. Unterstützung erhielten sie von seinerzeitigen Greenpeace-Aktivisten. Doch vergessen ist dieser nukleare Müll nur insofern, als die bekannten »Dumping Grounds« (Verklappungsgebiete) nicht mehr auf Radioaktivität hin untersucht werden. Hinzu kommt, dass auf Grund der damaligen Verklappungspraxis nicht einmal in allen Fällen bekannt ist, wo die Fässer liegen. Unbekannt ist ferner, inwieweit auch hoch radioaktiver Müll durch das britische Militär ins Meer entsorgt wurde. Bekannt ist den zuständigen Behörden aber immerhin, wie groß die Müllmenge ist, die im Meer verklappt wurde.

Besonderes Augenmerk legen die Autoren auf die Verklappungsstelle »Hurd Deep«, die im viel befahrenen Ärmelkanal zwischen Frankreich und der kleinen britischen Insel Alderney liegt. Diesen Ort stellt der Film vor allem wegen der gefährlichen Nähe zum Land in den Mittelpunkt. In kaum einhundert Metern Wassertiefe liegen den Autoren zufolge ca 28 000 Fässer mit leicht und mittel radioaktivem Müll. Sie entdeckten sowohl intakte als auch verrostete Fässer. Zudem wird dieses Meeresgebiet auch heute noch durch radioaktive Abfälle aus der Wiederaufbereitungsanlage (WAA) La Hague verseucht, obwohl es seit 1993 ein Verbot der Entsorgung nuklearer Abfälle ins Meer gibt.

Im Film zeigen Messungen, dass die anliegenden Küstengebiete bereits erhöhte Radioaktivität aufweisen. Schon jetzt sind Fische und Muscheln dort radioaktiv belastet. Die Folgen kann man rund um die WAA Sellafield sehen, wo sich Leukämieerkrankungen häufen. Die Autoren berichten, dass auch von Deutschland Verklappungen dieser Art genehmigt wurden.

Eine Rückholung der noch intakten Fässer wäre erforderlich, um die radioaktive Verseuchung zumindest einzudämmen, fordern die Autoren. Weiter fordern sie, dass endlich alle Fakten auf den Tisch müssten. Bisher werde das von Behörden wegen der Kosten abgelehnt.

Die beiden Autoren sind renommierte Journalisten. Manfred Ladwig erhielt unter anderem den Ernst-Schneider-Preis, die wichtigste deutsche Wirtschaftsfilmauszeichnung. Auch Thomas Reutter erhielt zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den EU-Journalisten-Preis. Produziert haben die Dokumentation der SWR und Arte.

Sendetermin der Dokumentation »Versenkt und vergessen. Atommüll vor Europas Küsten«: Arte, 23.04.2013, 20.15 Uhr.

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