Antike lauert unter Konsumtempel
In Mainz stehen Archäologen Schaufel bei Fuß
Wenn die Bagger sich in Bewegung setzen, dann reiben sich in Mainz die Archäologen üblicherweise die Hände - und die Bauplaner raufen sich die Haare. So geschehen bei der Ausgrabung der Römerschiffe, wo heute das Hilton-Hotel steht. So geschehen, als die Archäologen in monatelanger Kleinarbeit die Fundamente des Römischen Theaters ans Tageslicht beförderten, des größten Bühnentheaters der alten Römer nördlich der Alpen. Und schließlich so geschehen an der Baugrube der heutigen Römerpassage, einer Einkaufsmeile, wo die Forscher über ein Jahr lang ihrer akribischen Kleinarbeit nachgingen und den berühmten Isis-Tempel freilegten, der heute Scharen von Touristen in seinen Bann zieht. Zweiundzwanzig Stufen führen hinab in das Dunkel des Heiligtums. Steinerne Inschriften legen Zeugnis von der Zeit ab, in der Mainz Teil der antiken Welt war.
Nicht viel anders dürfte es aussehen, wenn die Bagger an der Ludwigstraße anrücken, wo ein riesiges Einkaufszentrum entstehen soll. Angesichts der wechselvollen Geschichte der Stadt am Rhein und des Umfangs des geplanten Einkaufszentrums wäre es fast ein Wunder, wenn Sensationsfunde ausblieben. Landesarchäologin Marion Witteyer hält vor allem den Bereich vom Dom bis zum Schillerplatz für besonders geschichtsträchtig.
Wenn die Archäologen die mächtige Baugrube unter die Lupe nehmen, rechnen Insider mit bis zu zwei Jahren, die es dauern könnte. Dies bedeutete eine erhebliche Verzögerung der Arbeiten. War anfangs von einer Fertigstellung des Einkaufszentrums im Jahr 2016 die Rede gewesen, so könnte es dann auch 2018 werden. In jedem Fall hätten die schweren Geräte Pause, sollten wertvolle Relikte der Vergangenheit entdeckt werden. Denn das Privileg der Archäologen ist im rheinland-pfälzischen Denkmalschutzgesetz festgeschrieben. Und damit müssen sich die Bauträger abfinden. In dem Gesetz steht auch, dass bei baulichen Investitionen, die 500 000 Euro übersteigen, bis zu einem Prozent der Gesamtkosten der Denkmalschutzbehörde zur Verfügung gestellt werden müssen. Das wären bei diesem Beispiel rund 2,5 Millionen Euro. Aus heutiger Sicht lässt sich die Summe freilich noch nicht beziffern, bevor wirklich etwas gefunden wurde.
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