Wirbel um Spitzel bei der Polizei

Sachsens Innenminister Ulbig sieht sich vor NSU-Ausschuss des Landtages schweren Vorwürfen ausgesetzt

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Hat Markus Ulbig gelogen? Wusste er es nicht besser? Der Untersuchungsausschuss konfrontierte den Innenminister heute mit offensichtlichen Diskrepanzen zwischen Akten und Aussagen aus dem Ministerium.

Die sächsische Linksfraktion wirft CDU-Innenminister Markus Ulbig vor, in der Frage eines möglichen Einsatzes von Spitzeln bei der Polizei im Freistaat nicht die Wahrheit zu sagen. Bei der Vernehmung Ulbigs vor dem NSU-Untersuchungsgremium des Dresdner Landtags sagte LINKE-Obfrau Kerstin Köditz, sie sei in »Sorge« um den Minister, weil dieser offenbar »nicht alles weiß«, was in seinem Haus passiert. Ulbig hatte zuvor auf Anfrage des Linksabgeordneten Klaus Bartl bestritten, dass beim Staatsschutz »Vertrauenspersonen« in der rechtsextremen Szene geführt werden. Er hatte dazu wörtlich aus der Antwort des Ministeriums auf eine Kleine Anfrage der NPD zitiert. Darin heißt es, V-Personen würden von Sachsens Polizei im Bereich der politisch motivierten Kriminalität »seit jeher« nicht eingesetzt.

Diese Aussage ist nach Ansicht von Köditz »widerlegt«. Sie bezieht sich dabei auf ein Dokument aus dem Umfeld des Prozesses gegen die Nazigruppierung »Sturm 34«. Das Landgericht Dresden hatte das Ministerium im Jahr 2008 offenbar um die Freigabe einer Akte gebeten, die auch Berichte aus einem Zeitraum von zwei Jahren über Treffen mit einem Informanten enthält, der zum Kern der braunen Schlägertruppe gehörte. Das Innenministerium - dessen Führung Ulbig allerdings erst nach der Wahl 2009 übernahm - hatte die Anfrage abgelehnt und gegenüber dem Gericht erklärt, es würde »dem Wohle des Freistaats Sachsen Nachteile bereiten«, wenn Originalschriftstücke aus der Akte zum Gericht gelangten. Selbst ein Papier, das nur die Belehrung des Zuträgers enthält, sei lediglich mit geschwärzten Passagen übermittelt worden.

Köditz hält den Widerspruch zwischen den Unterlagen und den Aussagen des Innenministeriums für gravierend: »Das ist keine Lappalie.« Abgeordnete seien auf Anfrage wiederholt »belogen« worden; es sei außerdem nicht auszuschließen, dass dem Landgericht relevante Unterlagen vorenthalten worden seien, erklärte sie gestern. Ulbig versuchte im Ausschuss indes, den Widerspruch zwischen der von ihm unterschriebenen Antwort zur Kleinen Anfrage und den Vorwürfen von Köditz kleinzureden - unter Hinweis auf die Arbeitsteilung in seinem Ministerium. Er müsse sich darauf verlassen können, dass ihm vorgelegte Unterlagen korrekt aufbereitet wurden: Er sei Minister und »nicht der beste Sachbearbeiter«, sagte er. Einen Erlass, der den Einsatz von V-Personen in der sächsischen Polizei regelt, kenne er nicht, fügte Ulbig auf Nachfrage hinzu.

Zur Klärung der Frage, wie das NSU-Terrortrio über viele Jahre ungestört in Sachsen untertauchen, ein Unterstützerumfeld finden und durch Banküberfälle auch seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte, wusste Ulbig wenig beizutragen. Das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen habe keine eigenen Erkenntnisse über den NSU und dessen Unterstützer gewonnen; Hinweise von Behörden anderer Länder seien nicht fruchtbar gewesen, sagte er, nicht ohne anzumerken, das sei »vor meiner Zeit« gewesen. Statt eigene Einschätzungen und Analysen zu bieten, las Ulbig über lange Strecken aus den Berichten einer Expertenkommission, des Landesdatenschützers oder der Parlamentarischen Kontrollkommission vor. Zudem verwies er auf geplante sowie auf bereits eingeleitete Umbauten im Verfassungsschutz des Landes. Dieser soll in den nächsten Jahren unter anderem in verstärktem Maß Geisteswissenschaftler einstellen, um die »Analysefähigkeit« zu verbessern.

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