Schwerbehindert: Rechtlicher Anspruch auf eine leistungsgerechte Beschäftigung

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Ich bin seit fünf Jahren schwerbehindert. Bisher konnte ich meine Tätigkeit als Maschinenschlosser noch gut bewältigen. Jetzt merke ich, dass mich die Arbeit überfordert. Habe ich ein Recht, vom Arbeitgeber zu fordern, meine Tätigkeit der Behinderung anzupassen?
Wolfgang R., Meißen

Das Sozialgesetzbuch IX regelt die Rechte der schwerbehinderten Arbeitnehmer. Ein schwerbehinderter Beschäftigter darf danach nicht wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Daraus folgt, dass dem Arbeitgeber gegenüber dem Schwerbehinderten über den Normalfall hinausgehende Pflichten obliegen, die der schwerbehinderte Beschäftigte notfalls auch gerichtlich durchsetzen kann.
Wann ist Beschäftigung »angemessen«? Gemäß § 81 SGB IX ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Schwerbehinderten eine Beschäftigung zuzuweisen, bei der er seine Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln kann.
Darüber hinaus berücksichtigt das Gesetz auch die Situation, dass es bei einem Schwerbehinderten auf Grund seines gesundheitlichen Zustandes zu einem Kräftenachlass führen kann. Nach §81 Abs.4 SGBIX hat ein schwerbehinderter Arbeitnehmer, der seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung auf Grund seiner Behinderung nicht mehr erfüllen kann, gegenüber seinem Arbeitgeber einen gesetzlichen Anspruch auf eine behindertengerechte Beschäftigung.
Dabei handelt es sich um einen einklagbaren Anspruch, im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten so beschäftigt zu werden, dass er entsprechend seiner Vorbildung und seinem Gesundheitszustand in der Lage ist, seine Tätigkeit entsprechend seinen Fähigkeiten fortzusetzen.
Das Gesetz unterstreicht mit diesen Regelungen, wie wichtig die Förderung schwerbehinderter Beschäftigter im Arbeitsprozess ist. Zugleich weist es aber auch darauf hin, dass der Arbeitgeber nur verpflichtet ist, im Betrieb bestehende Möglichkeiten zu nutzen. Er kann nicht gefordert werden, leidensgerechte Arbeitsplätze neu einzurichten oder durch die Versetzung oder Kündigung anderer Kollegen freizumachen. Neben der Prüfungspflicht des Arbeitgebers, ob im Betrieb entsprechende Möglichkeiten bestehen, hat daher auch der schwerbehinderte Arbeitnehmer darzulegen und zu beweisen, dass die begehrte leidensgerechte Beschäftigung im Betrieb auch möglich ist.
Versetzung mit gegenseitiger Willensübereinstimmung: Ist die leidensgerechte Beschäftigung des Arbeitnehmers nur im Rahmen einer Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz möglich, so bedarf dies einer Änderung des Arbeitsvertrages, wofür die gegenseitige Willensübereinstimmung erforderlich ist. Soll die Versetzung in einen anderen Betriebsteil erfolgen, ist hierfür die Zustimmung des Betriebsrats erforderlich.
Zu der beruflichen Förderung des Schwerbehinderten gehört der Anspruch auf die Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung. Nach dem Gesetz haben schwerbehinderte Arbeitnehmer Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen der Art und Schwere der Behinderung notwendig ist.
Das Verlangen des Schwerbehinderten auf eine Beschäftigung in verkürzter Arbeitszeit kann der Arbeitgeber nur zurückweisen, wenn die Reduzierung der Arbeitszeit des Arbeitnehmers die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist.
Bevorzugt bei Maßnahmen der beruflichen Bildung: Nicht selten kann eine weitere berufliche Qualifizierung den schwerbehinderten Mitarbeiter bei der Aufnahme einer leidensgerechten Tätigkeit unterstützen. Das Gesetz regelt daher auch die bevorzugte Berücksichtigung des Schwerbehinderten bei innerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung sowie bei der Aufnahme von außerbetrieblichen Bildungsmaßnahmen. Bei der Erfüllung der Ansprüche des schwerbehinderten Arbeitnehmers auf eine behindertengerechten Tätigkeit sollte der Arbeitgeber eng mit der Schwerbehindertenvertretung und dem Betriebsrat zusammenarbeiten.

Dr. PETER RAINER

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