Eine moralisch-ethische Frage

Der Grünenabgeordnete Uwe Kekeritz über schlimme Produktionsbedingungen und die Rolle der Politik

  • Lesedauer: 3 Min.
Die Praktiken der Unternehmen müssen öffentlich gemacht werden, sagt Uwe Kekeritz. Bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat er deshalb am Montag Beschwerde gegen die Bekleidungsfirmen C&A, KiK und Karl Rieker eingelegt.

nd: Was ist der Grund für Ihre Beschwerde? Das ist kein gewöhnlicher Schritt.
Kekeritz: Es geht um eine moralisch-ethische Frage. Die drei Firmen beziehen Kleidung, Stoffe aus Bangladesch, und es ist bekannt, unter welchen Bedingungen dort produziert wird. Es geht um Sicherheitsstandards, um miserable Löhne und um Menschenrechte. Wenn die Leute 14, 15, 16 Stunden arbeiten müssen, dann sind die Menschenrechte missachtet.

Und was kann die OECD da tun?
Alle Unterzeichnerstaaten der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen müssen eine Nationale Kontaktstelle einrichten, bei der Beschwerden gegen Unternehmen eingereicht werden können, die gegen die Leitsätze verstoßen und Menschen ausbeuten. Die Beseitigung der Missstände ist jedoch nicht juristisch einklagbar. Die Bedeutung der Beschwerde liegt also darin, dass das Thema in die Öffentlichkeit kommt, dass darüber diskutiert wird und es ein Vermittlungsverfahren gibt. Nichts fürchten diese Unternehmen mehr als die öffentliche Meinung. Und darum werden die reagieren.

Was jetzt ja auch passiert ist. Das Brandschutzabkommen haben gestern viele Unternehmen unterzeichnet.
Das ist trotzdem ein Skandal. Das Abkommen gab es schon länger, Tchibo und der US-Bekleidungskonzern PVH, Mutterkonzern von beispielsweise Calvin Klein, hatten es als erste unterzeichnet. Die deutschen und andere europäische Unternehmen haben gesagt, da sind uns die Auflagen zu hart, da machen wir nicht mit. Und auch die staatliche Entwicklungshilfeorganisation GIZ hat lieber mit Unternehmen verhandelt als mit Gewerkschaften und Initiativen. Auf Grund der Vorfälle der letzten Monate haben sie aber gemerkt, dass es hochgefährlich ist: Die Öffentlichkeit könnte immer kritischer werden. Darum treten sie jetzt dem Abkommen bei. Man muss aufpassen, dass da kein »Fairwashing« geschieht.

Bei den letzten Katastrophen lag eine Ursache auch in der Korruption vor Ort. Wo liegen denn die Verantwortlichkeiten bei Auftraggebern hier und Produzenten dort?
Wir können die Regierung Bangladeschs und die zuständigen Ministerien nicht aus der Verantwortung lassen. Die tragen eine ganz große Schuld. Aber wenn ich dort einkaufe und ich kenne die Bedingungen, dann bin ich verpflichtet, die Verhältnisse zu verändern oder dort eben nicht einzukaufen.

Und was könnte der Gesetzgeber hierzulande tun, um das zu unterbinden?
Tatsächlich kann nur auf europäischer Ebene ein Regelwerk entstehen. In Brüssel wurde beispielsweise unlängst entschieden, dass Unternehmen im Rohstoffsektor ihre Geschäftsbeziehungen offen legen müssen. Dies ist ein wichtiger Schritt, um festzustellen, ob die Unternehmen unter ausbeuterischen Bedingungen produzieren lassen. Die Bundesregierung hat bis zuletzt gegen diese Offenlegungspflichten gekämpft - und verloren. Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass diese Pflichten auf andere Branchen ausgeweitet werden. Wir brauchen dringend Offenlegungspflichten für die Textilbranche, um Klarheit in den Markt zu bringen. Schwarz-Gelb muss endlich aufhören zu bremsen und zu blockieren. Hier in Deutschland müssen wir vor allem weiter öffentlichen Druck machen, damit endlich etwas geschieht.

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