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Aufstand der Seelen

K&K Philharmoniker zu Gast im Konzerthaus

  • Ulrike Krenzlin
  • Lesedauer: 3 Min.

Selten ist ein Dirigent zugleich auch Komponist. Das ist der Fall bei dem Österreicher Matthias Georg Kendlinger. Im Konzerthaus am Gendarmenmarkt übernahm er am Donnerstagabend selbst die musikalische Leitung seiner ersten Sinfonie mit dem anspruchsvollen Titel »Manipulation - Aufstand der Seelen« in es-Moll. Auf sechs Tönen: b, es, as des, ges, ces baut die durchdringende elegische Grundstimmung des Werkes auf. Doch im Konzertprogramm stellt sich der Komponist nicht vorn, sondern hinten an. Denn dessen erster Teil begann mit Ludwig van Beethovens Egmont-Ouvertüre in f-Moll, ihr folgte Schuberts 4. Sinfonie in d-Moll, die »Tragische«.

Erst nach der Pause gab es Kendlingers Opus 4 »Manipulation«. Geschickt ist dieses Programm arrangiert. Kendlinger verweist auf seine musikalischen Lehrer, wählt Werke aus, in denen leidenschaftlich um Lebenskonflikte gerungen wird, musikalisch immer in Moll. Beethovens Egmont stirbt den Heldentod. Der noch sehr junge Franz Schubert hatte ganz allgemein Tragisches im Sinn, dem Harry Goldschmidt aber nur Pathetisches zubilligte.

Auch Kendlinger stellt thematisch hohe Ansprüche. Der Gegenwartskomponist berührt ein heißes Eisen unserer Zeit: die mediale Manipulation von Massen und damit des Individuums. Jeder Einzelne ist zum Konfliktfeld der Manipulation gefragt. Musikalisch soll appelliert werden, die ausdifferenzierten Probleme zu erkennen, denen Menschen weltweit ausgesetzt sind, vor Fallen und Gefahren gewarnt werden, die uns tagein tagaus drohen.

Wie erkennen wir unseren persönlichen Scheideweg, dem Herkules seinen Namen gab, der trügerisch zu Verführungen verleitet oder zum sinnvollen Leben in Verantwortung für sich und den Nächsten führt?

Bleibt noch die Frage: Weshalb der Doppeltitel: »Aufstand der Seelen« (im 2. Satz)? Dazu gibt der erste Satz Erklärung, der den Millionen Toten gewidmet ist, die seit Alexander dem Großen bis in unsere Zeit auf den Schlachtfeldern der Welt gefallen sind. Einer der brutalsten Fälle wird im deutschen Nationalepos, dem »Nibelungenlied«, an König Etzels Hof geschildert.

Kendlinger steht als Künstler in der Tradition der christlichen Kunst (2006 UA »Der verlorene Sohn«). Moral spielt daher eine Rolle. Die Kunstgeschichte zeigt es im Bild. Im 4. Satz der Sinfonie heißt es »Gefühle nach Bildern - sie schreiben unser Lebensbuch«. Das heißt, wir können unsere Gefühle nach Bildern ausprägen. Dem Tod folgt die Aufstehung der Seelen. Im 2. Satz des Opus 4 ist das musikalische Bild angelehnt an die Auferstehung der Seelen, wie sie im Genter Altar von Jan van Eyck zu sehen ist. In der Sinfonie geht es um den »Aufstand der Seelen«, kein eigentlicher Unterschied. Die Sätze sind vorwiegend in den Tempi Andante, Andante mosso, Andantino, Adagietto, Prestissimo gehaltenen. Alles beginnt mit einem glanzvollen Ausgangsszenario (1. Satz) , danach folgt herausrufendes Klagen (2. Satz), elegische Nachdenklichkeit (3.Satz), trommelnde Mahnungen (4. Satz) und Werben um Hoffnung (5. Satz).

Stakkatoartig herausgeschleudert sind die Fragen zur Manipulation: »Manipulation zur Schande der Nation«. Eine erlösende Antwort ist nach dem Libretto des Komponisten in die christliche Vorstellung gekleidet: »Schenke und gebe uns Kraft zum Positiven, zum Guten, zur Menschlichkeit und Nächstenliebe und des wahren Gottes Werk«. Wir dürfen diese Antworten mitnehmen. Bemühen muss sich allemal jeder nach seinen Fähigkeiten.

Es spielten die K&K Philharmoniker, ein Sinfonieorchester von 62 Instrumentalisten. Matthias Kendlinger führt dieses Orchester seit elf Jahren durch die Konzerthäuser Europas. Für das Opus 4 war zudem der der K&K Opernchor eingesetzt mit sechzig vorwiegend solistisch ausgebildeten Sängerinnen und Sängern. Dieses Vokalensemble leitet langjährig Vasyl Yatsyniak.

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