Wir wollen den Wettbewerbspakt verhindern

SPD-Politikerin Hilde Mattheis sieht in ihrer Partei viel Zuspruch für den Aufruf »Europa geht anders«

  • Lesedauer: 4 Min.
Derzeit werden immer neue internationale sozialdemokratische Zusammenschlüsse gegründet. Neben der Sozialistischen Internationale besteht seit kurzem auch die von der SPD mit gegründete Progressive Alliance. Die Parteilinke sucht derweil internationale Partner, um die EU-Austeritätspolitik zu überwinden und den sogenannten Wettbewerbspakt zu verhindern.

nd: Die SPD hat zusammen mit anderen sozialdemokratischen Parteien kürzlich die Progressive Alliance gegründet und geht auf Distanz zur Sozialistischen Internationale (SI). Warum soll die SI von der SPD nicht mehr unterstützt werden?
Matheis: Die Sozialistische Internationale hat in den letzten Jahren an Bedeutung verloren. Das hatte unterschiedliche Gründe, vor allen Dingen waren Vertreter von Parteien dabei, die nicht gerade durch demokratische Verhaltensweisen aufgefallen sind, wie etwa die Partei von Husni Mubarak in Ägypten. Die SPD hatte die SI in den letzten Jahren mit einem hohen Beitrag unterstützt. Nun lässt sie die Mitgliedschaft ruhen. Es gab offenbar ein Übereinkommen mit unseren britischen Freunden, jetzt eine neue Vereinigung zu gründen, in der auch die US-Demokraten dabei sind. Das ist vielleicht ein guter Schritt, um die Linken und die sozialdemokratischen Parteien wieder näher zusammenzubringen.

Zur Webseite des Aufrufes: »Europa geht anders«

Was erhoffen Sie sich von der neu gegründeten Progressive Alliance?
Es ist wichtig, dass wir uns jetzt ein Stück weit stärker verständigen. Offenbar war das in der SI nicht möglich. Kritisiert wurde vor allem, dass in der SI keine Reform von innen heraus möglich gewesen sei.

Die Gründung dieser neuen Allianz fand im Rahmen der 150-Jahr-Feier der SPD in Leipzig statt. Dort präsentierte sich die Parteispitze einträchtig mit der Kanzlerin. Angela Merkel durfte in der ersten Reihe sitzen. Wäre im Bundestagswahlkampf nicht mehr Konfrontation angebracht?
Das ist doch Unsinn. Es handelt sich um die älteste demokratische Partei und ihre 150 Jahre alte Geschichte und ihr Wirken für dieses Land. Da sind natürlich auch der Bundespräsident und die Bundeskanzlerin eingeladen.

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Wünschen Sie sich denn, dass sich SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und Ihre Partei politisch stärker von der Union abgrenzen, etwa in der Europapolitik?
Das tun wir, unser Regierungsprogramm enthält eindeutige Aussagen. Zweifellos steht auch Peer Steinbrück hinter diesen Aussagen. Ich bin überzeugt, dass wir auf der Grundlage dieses Programms in den nächsten Monaten unsere Europapolitik ausrichten: Wir wollen die Finanzmärkte bändigen, Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen, Parlamente stärken und über Investitionen Wachstum erzeugen.

Ist der von Ihnen mit initiierte Aufruf »Europa geht anders« nun der Startschuss für eine weitere neue Internationale, die von Grünen, Linken, linken Sozialdemokraten und zivilgesellschaftlichen Akteuren unterstützt wird?
Wir brauchen ein internationales Bündnis, damit die europäische Idee nicht verloren geht. Es lohnt sich, dafür zu streiten und zu kämpfen. Das zeigt die große Unterstützung für diesen Aufruf. Auch in Spanien sind wir aktiv, und in Frankreich setzt sich die Sozialistische Partei sehr stark mit dem Aufruf auseinander.

Ziel dieses Aufrufs ist zunächst die Verhinderung des sogenannten Pakts für Wettbewerbsfähigkeit und Konvergenz, in dem geplant ist, dass sich europäische Regierungen in bilateralen Verträgen mit der Europäischen Kommission zu immer neuen wettbewerbsorientierten Reformen verpflichten?
Das ist richtig. Er wird wohl nicht konkret werden Ende Juni. Das heißt, es wird in den nächsten Monaten eine Herausforderung sein, die Gewerkschaften, Attac und die reformerischen linken Kräfte im Vorfeld von Parteien wesentlich stärker mit einzubeziehen. Das ist ja auch der Grund gewesen, weshalb wir das so stark geöffnet haben.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat bisher mit großer Mehrheit die Europapolitik der schwarz-gelben Bundesregierung unterstützt. Wie wird denn nun bei den Sozialdemokraten dieser Aufruf gesehen?
Ich erfahre viel Unterstützung aus der Fraktion. Meine Fraktion hat in den letzten Monaten den Kurs immer sehr kritisch begleitet und sehr kritisch auch hinterfragt, was aus den Forderungen, die wir ja begleitend immer gestellt haben, wird. Ich gehe davon aus, dass die Debatte jetzt weiter Fahrt aufnimmt.

Im Aufruf werden unter anderem ein Ende der Austeritätspolitik sowie die Stärkung von Arbeitnehmerrechten gefordert. Müssen bei diesen Themen auch Sozialdemokraten noch überzeugt werden?
Die Stärkung von Arbeitnehmerrechten ist eine klare Forderung in unserem Wahlkampf. Bei der Austeritätspolitik brauchen wir eine stärkere Debatte, was auch den Fiskalpakt und die Schuldenbremse anbelangt. Von zentraler Bedeutung sind Investitionen, um Wirtschaftswachstum zu fördern. Darin sind wir uns in der SPD eigentlich auch einig.

Wie soll es mit der Kampagne nun weitergehen? Was ist als Nächstes geplant?
Wir planen über den Aufruf hinaus auch weitere Zusammenschlüsse, weitere Veranstaltungen, weitere Presseinitiativen. Wir werden natürlich die Beratungen im Europäischen Rat sehr kritisch begleiten und dafür sorgen, dass sie in der Öffentlichkeit nicht unkommentiert bleiben. Wir Initiatorinnen wollen dafür sorgen, dass der Aufruf »Europa geht anders« über den Tag hinaus wirkt.

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