Korrupt bis ins Mark

Dominique Manotti: »Das Schwarze Korps«

  • Ulrike Gramann
  • Lesedauer: 3 Min.

Sommer 1944, Paris: Besatzer und Kollaborateure schicken sich an, ihr Schäfchen ins Trockne zu bringen. Die Niederlage vor Augen, setzen die SS und die französische Gestapo, die Carlingue, das Rauben enthemmt fort, beseitigen rücksichtslos Zeugen und Mitwisser. Gleichzeitig bereiten die Täter ihre Absetzung ins Ausland vor, Kollaborateure den Übergang in die Eliten Nachkriegsfrankreichs. Bereicherung, Verrat, Gewaltexzesse: Die französische Autorin Dominique Manotti hat mit »Das Schwarze Korps« einen historischen Thriller geschrieben, gleichermaßen brisant für deutsche wie französische Leser.

Manottis Dramaturgie folgt dem Zeitraum von der Landung der alliierten Truppen in der Normandie am 6. Juni bis zum Aufstand und der Befreiung von Paris am 25. August 1944. Leitfigur ist Inspecteur Domecq von der »Sitte«, zugleich Verbindungsmann des gaullistischen Widerstands. Mit Domecq erhalten wir Zutritt zum Salon der schönen Dora Belle, Schauspielerin, liiert mit SS-Hauptsturmführer Bauer.

Die französische Gestapo hat Bauer soeben einen amerikanischen Offizier ausgeliefert, der ihr bei einem Raubzug in die Hände fiel. Sind auch in Doras Salon die Orchideen noch immer auf die Roben der Damen abgestimmt, schwelgen auch Politiker, Profiteure, Kriminelle, Offiziere und SS noch immer in Champagner, Delikatessen und Sex - Doras Tochter Ambre und der Industriellensohn François fiebern längst den Alliierten entgegen. Die beiden Jugendlichen, die sich auf Leben und Tod mit dem Widerstand verbinden, werden, obwohl Randfiguren, zur moralischen Instanz.

Manotti erzählt die gut ausgedachte, komplexe Handlung knapp, geschliffen und brutal realistisch. »Das Schwarze Korps« basiert auf genauer historischer Recherche. Man liest in atemloser Gespanntheit vom letzten Rausch der Besetzung bis zum Taumel des befreiten Paris. Manotti beschönigt nichts, auch nicht die sexualisierte Erregung der Mörder und Räuber während der Tat. Plötzliche Perspektivwechsel, bei denen ein Gedanke der handelnden Person durch den Bericht knallt wie ein Schuss, prägen Manottis Stil; sie erhellen Motive, Lüste und Ängste.

Dominique Manotti, Historikerin, durch den Algerienkrieg politisiert, jahrelang Pariser Generalsekretärin der großen Gewerkschaft CFDT, kam erst mit 50 Jahren zum Schreiben. In ihren bislang acht Romanen greift sie gesellschaftliche Zustände, zeitgeschichtliche Skandale und politische Kämpfe, wie die von Lohnarbeitern und Sans-Papiers, auf. Statt einer Ermittlerfigur, die der Leser durch verschiedene »Fälle« begleitet, schafft sie ein soziales Universum, in dem man zuweilen einem alten Bekannten begegnet, ob im Zentrum oder am Rand des Geschehens. Entscheidend ist, dass Manotti das Verbrechen politisch erkennbar macht. »Erzählen heißt Widerstand leisten«, schreibt sie in ihrer historischen Anmerkung zu »Das Schwarze Korps«. In der deutschsprachigen Kriminalliteratur reicht ihr als Meisterin des politischen Thrillers derzeit niemand das Wasser.

Dominique Manotti: Das Schwarze Korps. Aus dem Französischen von Andrea Stephani. Ariadne bei Argument, 280 S., geb., 17,90 €.

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