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Alle Hoffnung ruht auf Prominenten

Kampagne soll dramatischen Einbruch der Organspendebereitschaft stoppen

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit im vergangenen Jahr in mehreren Kliniken Unregelmäßigkeiten bei Transplantationen aufgetreten sind, hat die ohnehin mäßige Organspendebereitschaft der Deutschen noch mehr abgenommen. Mit Gesetzesänderungen und Kampagnen soll sich das nun ändern.

Prominente wie »Tatort«-Kommissar Klaus J. Behrendt sowie die Olympiasieger im Biathlon oder Gewichtheben, Kati Wilhelm und Matthias Steiner, sollen uns künftig via Plakat dazu anregen, einen ausgefüllten Organspendeausweis in der Tasche zu tragen. Weniger als ein Viertel der Bevölkerung macht das. So kommen auf eine Million Einwohner nur 15 Spender, international liegt das Land damit im unteren Drittel. 21 Patienten sterben durchschnittlich pro Woche, weil ihr Warten vergeblich war - keine schönen Aussichten für 12 000 Menschen auf den Listen der europäischen Verteilungsorganisation Eurotransplant, die auf eine Lunge oder auf die Bauchspeicheldrüse eines Verstorbenen angewiesen sind, um selbst weiterleben zu können.

Als im Sommer 2012 bekannt wird, dass zwei Mediziner der Göttinger Universitätsklinik im großen Stil Akten gefälscht und die eigenen Patienten beim Empfang von Spenderlebern bevorzugt haben sollen, ist die Aufregung in der Bevölkerung groß. Doch das sollte nicht der einzige Fall bleiben. Auch an der Regensburger Uniklinik, am Münchner Krankenhaus Rechts der Isar und dem Universitätsklinikum Leipzig werden Manipulationen aufgedeckt. Mediziner werden beurlaubt, es gibt Haftbefehle und eine Festnahme. Die Fraktionen im Bundestag einigen sich auf eine Gesetzesänderung, nach der Richtlinien zur Organentnahme künftig vom Bundesgesundheitsministerium genehmigt werden müssen. Im August tritt das neue Gesetz mit Regelungen über veränderte Abläufe und Strukturen in den Entnahmekrankenhäusern in Kraft. Am 1. November 2012 folgt das »Gesetz zur Regelung der Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz«. Es setzt auf Aufklärung der Bevölkerung über die Möglichkeiten der Organ- und Gewebespende. Beteiligt werden die Länder, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und die Krankenkassen. Gestern nun verkündete Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) die Absicht, ein Transplantationsregister einzuführen, das von vielen Experten seit langem gefordert wird.

Doch überzeugt hat, was bisher geschah, die Menschen offenbar nicht. Die Spendebereitschaft ist trotz schöner Reden, Appelle an die Moral, der Verschickung von fertigen Organspendeausweisen und Kampagnen auf einen Tiefpunkt gesunken. Martina Bunge von der Linksparteifraktion im Bundestag sieht die Gründe dafür in der Intransparenz und Profitorientierung des gesamten Gesundheitssystems, die den Menschen das Vertrauen nehmen.

Kritisiert wurden im Vorfeld der Gesetzesänderungen zudem zahlreiche Umstände im Organspendesystem, an denen sich ebenfalls viel zu wenig änderte. So wurde gefordert, uneingeschränkte Transparenz herzustellen, die Stiftung Organtransplantation in eine staatliche Einrichtung umzuwandeln, die Kontrollen zu verstärken, die Zahl der Transplantationszentren zu begrenzen, um den Konkurrenzdruck zu verringern und die letzte Entscheidung über die Vergabe eines Organs nicht den beteiligten Ärzten allein zu überlassen. Zwar wurde von allem etwas in die neuen Gesetze gepackt. Zu weitreichenden Änderungen wie der Umwandlung der Stiftung oder einer Einschränkung der ärztlichen Verfügungsgewalt über die Organe ist es letztlich aber doch nicht gekommen.

Nun wird man sehen, was prominente Schauspieler oder Sportler noch richten können.

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