Rocker, Razzien - Rechtsextreme

Bundesinnenministerium verbot »Gremium MC« in Sachsen / Brandenburg ging gegen »Hells Angels« vor

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Hunderte Polizisten, darunter Spezialeinheiten der Länder und des Bundes, durchsuchten am Mittwoch Vereinsheime und Wohnungen von Rockern in mehreren Bundesländern. Schwerpunkte waren Brandenburg, Berlin und Sachsen. Auch in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen wurde durchsucht.

Um 5.45 Uhr ging es los. Allein in Berlin und Brandenburg durchsuchten über 650 Polizisten mehr als 60 Objekte. Den Razzien vorausgegangen war ein Verbot des »Regionalverbandes Gremium Motorcycle (MC) Club Sachsen« sowie seiner Unterstützerorganisationen »Gremium MC Chemnitz«, »Gremium MC Dresden«, »Gremium MC Nomads Eastside«, »Gremium MC Plauen« und »Härte Plauen«. Von den Vereinen gehe eine schwerwiegende Gefährdung für individuelle Rechtsgüter und die Allgemeinheit aus, erklärte das Bundesinnenministerium.

Brandenburgs Innenministerium verbot derweil die Vereine »Hells Angels Motorcycle Club Oder City« und dessen Unterorganisation »Oder City Kurmark«, weil die verfeindeten Gruppierungen versuchten, ihre regionale Vormachtstellung auszubauen.

Die Begründungen sind so juristisch knapp wie allgemein. Rockerclubs werden seit Jahrzehnten beweiskräftig mit Drogen-, Menschen- und Waffenhandel in Verbindung gebracht. Auf diesem einträglichen Sektor der Organisierten Kriminalität tummeln sich zunehmend Rechtsextremisten aus sogenannten Freien Kameradschaften. Auch Hooligan-Gruppen mit rechtsgesinnten Aktivisten sowie Hammerskins sind dabei. Beide international agierenden Ansammlungen operieren mit brutalster Gewalt, um kriminelle und politische Interessen durchzusetzen. Sie ergänzen sich bestens.

Enge Kontakte gibt es seit spätestens Mitte der 90er Jahre. Die verbotene Neonazikameradschaft »Skinheads Sächsische Schweiz« beispielsweise konnte im Club des Dresdner »MC Gremium« Veranstaltungen abhalten. Damals gab es einen »Gremium«-Vizechef namens Andreas Pohl. Pohl, der sich mit dem Spitznamen »Oswald« anreden ließ, weil so die Nähe zu SS-General Oswald Pohl, den die Alliierten 1951 als Kriegsverbrecher henkten, deutlich wurde, war Anführer der verbotenen rechtsextremen »Nationalistischen Front« (NF). Er stammte aus Berliner Skinheadgruppierungen, war Bandmitglied von »Kraft durch Froide« und gründete 1992 nach dem Verbot der NF die »Sozialrevolutionäre Arbeitsfront«.

Ende der 90er Jahre tauchte er beim »Clan MC« in Dresden auf. Auch den brachte die Polizei schnell mit dem Rotlichtmilieu und Neonazikonzerten in Verbindung. Letzteres war die Domäne der militanten Blood&Honour-Vereinigung. Zu der hatten auch die Berliner »Vandalen« Kontakte - so wie zu Waffenbeschaffern in Österreich, Tschechien und Belgien.

Das alles war den zuständigen Ermittlern über Jahre bekannt. Offenbar dachte man, die Szene über V-Personen im Griff zu haben. Welch Irrtum! Im Jahr 2000, nach dem Verbot der Blood&Honour-Vereinigung, die auch die wichtigste Basis des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) war, rückten Rocker und Rechtsextreme noch enger zusammen. Einige »signifikante Personen« hätten den »Brückenschlag zwischen einer extremistischen und verbotenen und einer devianten aber nicht verbotenen Subkultur« vollzogen, heißt es in einer geheimen Studie der Verfassungsschutzschule.

Die Gründe dafür sind simpel. Erstens konnten die MCs jede schlagkräftige Faust gebrauchen im Konkurrenzkampf gegen andere Rockerclubs. Zweitens sind deren Clubhäuser im Allgemeinen »hermetisch abgeriegelte, durch Wachen und technische Einrichtungen gesicherte Zentralstellen, einer ein bestimmtes Territorium für sich beanspruchenden sog. Outlaw Motorcycle Gang OMG«. Diese OMGs sicherten ihre Liegenschaften, und damit auch sich selbst, »durch ein sehr ausgeklügeltes Sicherheitskonzept ab und erschweren außerordentlich gut die Aufklärung dessen, was sich innerhalb einer solchen Liegenschaft, in welcher das Hausrecht gilt, abspielt«. Der Autor der Studie nennt Namen und Beziehungen und bestätigt im Gegensatz zu öffentlichen Bekundungen der Behördenleitung, dass Blood&Honour noch immer als »voll funktionsfähiges Netzwerk« betrachtet werden müsse, welches beispielsweise »der ›Aufbauhilfe Ost‹ der ›Bandidos‹ aus Baden-Württemberg für ihre Chapter in Thüringen den Weg ebneten«. Wer das nicht glaube, solle sich die 101 vom Bundeskriminalamt bereits im Jahr 2008 aufgelisteten Einzelverfahren anschauen.

Im März 2012 war in der Szenezeitschrift »Biker-News« unter der Rubrik »Jail Mail« eine Nachricht an Beate Zschäpe, der Frau im NSU-Terrortrio, zu entdecken. Grüße von Knast zu Knast, die an den Behörden völlig vorbeigegangen waren. Nicht nur »nd« warnte beim Aufdecken Anfang dieses Jahres vor der Gefahr, dass so neue Netzwerke geknüpft werden. Am Rande des Münchner NSU-Prozesses war nun zu hören, dass der Generalbundesanwalt diese Möglichkeit geprüft habe. Ergebnis: »Da ist nichts dran.«

So wie vermutlich auch nichts dran ist an Aussagen, dass die als Terroristin angeklagte Rechtsextremistin mehrmals Kontakt aufgenommen hat zu Rockervereinigungen. Im Juli 2011 soll sie beispielsweise in Erfurt bei einem Prozesses gegen »Bandidos« gewesen sein. Angeblich um Kontakt mit einem Verteidiger aufzunehmen. »Wenn die Z. sich so selbstsicher innerhalb den überwiegend aus ›Bandidos‹-Mitgliedern bestehenden Prozesszuschauern bewegt, so kann von einer ausgesprochenen Vertrautheit mit dieser devianten Subkultur ausgegangen werden«, heißt es in dem Analysepapier des Geheimdienstes.

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