Die schwarze Kanzlei

Wie der »Wirtschaftsrat Recht« in Schleswig-Holstein Gesetze schreibt und Politiker berät

  • Olaf Harning
  • Lesedauer: 3 Min.
Sie betreut kommunale Unternehmen, beschäftigt ehemalige Spitzenpolitiker und formuliert auch schon mal einen schwarz-gelben Gesetzentwurf. Wenn die Pinneberger Kanzlei »Wirtschaftsrat Recht« in die Schlagzeilen gerät, dann meist als eine Art wandelnder Interessenkonflikt. Ein Bericht aus den Untiefen Schleswig-Holsteins.

Da waren sie wieder, die Wirtschaftsprüfer, Anwälte und Steuerberater um Carl-Ulrich und Dr. Henrik Bremer. Ende Mai berichtete der NDR in Radio und Fernsehen von Ungereimtheiten beim Zustandekommen des schwarz-gelben Glücksspielgesetzes in Schleswig-Holstein. Die Kanzlei »Wirtschaftsrat Recht Bremer & Heller« hatte 2010 offenbar nicht nur den Entwurf des wegen seiner laxen Regeln umstrittenen Staatsvertrages verfasst, sondern wenig später auch um Mandanten aus der Glücksspielbranche geworben.

Während der »Wirtschaftsrat« auf seiner Homepage auch freimütig kundtut, »von den Fraktionen der CDU und FDP (…) im Mai 2010 mit der Erarbeitung eines alternativen Glücksspielstaatsvertrages beauftragt« worden zu sein, mag das der amtierende Landesinnenminister Andreas Breitner (SPD) nur bedingt bestätigen. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage seiner Parteikollegen Ralf Stegner und Kai Dolgner jedenfalls stellt er lediglich fest, die Kanzlei habe dem Innenministerium Entwürfe »unaufgefordert zur Verfügung gestellt«. Inzwischen bestätigten FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki und CDU-Fraktionsgeschäftsführer Hans-Jörn Arp sowohl Beauftragung als auch Bezahlung der Kanzlei. Organisationen wie »Lobbycontrol« sind alarmiert: Gesetze müssten in Ministerien und Parlamenten formuliert werden, fordert etwa Geschäftsführerin Christina Deckwirth, andernfalls seien Interessenkonflikte kaum auszuschließen.

Nach nd-Informationen sind die Gesellschaften und Kanzleien der Familie Bremer bereits mehrfach in die Kritik geraten. Da ist zum Beispiel die »Dr. Bremer Consulting - Gesellschaft für Infrastrukturberatung mbH«, eine Art Promotionunternehmen in Sachen Glasfaserverkabelung, die Henrik Bremer gemeinsam mit dem eben erst abgelösten Direktor der Norderstedter Stadtwerke betrieb.

Das Pikante: Gleichzeitig war Bremer mit der »Wirtschaftsrat GmbH« persönlich an der Prüfung der Stadtwerke beteiligt. Oder die »Dr. Hilliger & Bremer GmbH«, mit der Seniorchef Carl-Ulrich Bremer in einen Fondsskandal verwickelt war, bei dem es um die Insolvenz der »EuropLeasing AG« und einer 2003 gegründeten Tochtergesellschaft geht. Die hatten sich nicht weniger als die Marktführerschaft im IT- und Kommunikationsgüterleasing auf die Fahnen geschrieben, erzielten aber von Beginn an nur Bruchteile der erhofften Umsätze. Weil Bremer bei der Fondstochter einerseits als Wirtschaftsprüfer, mit einer anderen Gesellschaft aber auch als Treuhandkommanditist auftrat und das Unternehmen noch kurz vor dem »Aus« für eine »renditestarke Anlage mit geringem Risiko« warb, wurden Bremer und seine Mitstreiter schließlich im Oktober 2010 zu Schadenersatzzahlungen verurteilt.

Gegenüber »nd« weist Henrik Bremer die Vorwürfe zurück. Den Fall »EuropLeasing« erklärt er mit nachträglich veränderter Rechtsprechung, die Zusammenarbeit mit dem Stadtwerkechef habe die Politik abgenickt und am Glücksspielgesetz sei schon gar nichts auszusetzen - zumal es »handwerklich sehr gut« sei. Ob er heute Mandanten aus der Branche hat? Keine Antwort. Nur so viel: »Wenn Sie einen guten Artikel veröffentlichen, hoffen sie ja auch auf Anfragen, oder?«

Inzwischen ist das »Casino Kiel« Geschichte und die Landes-CDU unter neuer Führung. Die Verzahnung von Politik, Wirtschaft und der Kanzlei Bremer hingegen dürfte enger sein denn je. Am deutlichsten wird das an der Personalie Christian von Boettichers: 2011 über seine Beziehung zu einer Minderjährigen gestolpert, arbeitet der ehemalige CDU-Landeschef seit Juni 2012 im Hamburger Büro des »Wirtschaftsrats«. Dort fungiert er unter anderem als Lobbyist für Arge Netz, ein Zusammenschluss verschiedener Energieerzeuger. Bis zum nächsten Interessenkonflikt.

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