Prozess im Theater

»Comandante« Schettino vor Gericht

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.
Dreieinhalb Jahre Haft wollen die Anwälte von Kapitän Schettino mit dem Gericht im italienischen Grosetto aushandeln. Zu wenig für den Tod von 32 Menschen durch die Havarie der Costa Concordia, glaubt die Staatsanwaltschaft.

Am Mittwochvormittag hat der Prozess gegen den Kapitän des Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia begonnen. Vor dem Amtsgericht Grosseto muss sich Francesco Schettino für den Tod von 32 Menschen verantworten, hervorgerufen durch die Schiffshavarie am 13. Januar 2012. Die Verteidigung versucht eine Einigung mit dem Gericht auszuhandeln, dabei soll ein Strafmaß von dreieinhalb Jahren im Urteil verkündet werden. Die Staatsanwaltschaft forderte bereits im Vorfeld fünf Jahre Haft.

Unter weit geringerer Medienbeteiligung als noch vor elf Tagen wurde das Verfahren im Teatro Moderno der südtoskanischen Stadt Grosseto neu eröffnet. Der Unglücksort vor Giglio liegt im Amtsbereich von Grosseto. Die ursprüngliche Eröffnung am 6. Juli scheiterte an einem Streik der Anwälte des Landes, wenige Minuten nach Beginn der Verhandlung hatte der Vorsitzende Richter das Verfahren auf den 17. Juli vertagt.

Der neue Prozesstag begann mit der Präsentation der Vertreter der Zivilkläger. Insgesamt klagen 4228 Personen und 31 juristische Personen - Firmen und Vertreter der Öffentlichkeit - auf Schadensersatz, dabei sind 242 Zivilklagen anhängig, die von 62 Anwälten vertreten werden. Weitere 60 Anwälte erhoffen noch die Anerkennung ihrer Verfahren vor dem Gericht in Grosseto.

Unter den juristischen Personen, die klagen, befindet sich die Reederei Costa Crociere. Ein Fakt, der äußerst umstritten war: Mehrere Anwälte erklärten, dass ein Interessenskonflikt vorliege: Die Reederei, die maßgeblich mitverantwortlich für den Unfall gehalten wird, könne nicht gleichzeitig als Kläger auftreten. Das Gericht sah dies anders und ließ Costa Crociere als Nebenkläger zu.

Optimisten hoffen auf einen zügigen Verfahrensverlauf, schon Anfang 2014 könnte ein Urteil ergehen. Wer Italiens Justiz kennt, muss da an ein Wunder glauben. Die Staatsanwaltschaft hat 300 Zeugen aufgeboten, die Anwälte Schettinos 80. »Wir wollen einen Deal mit dem Gericht machen«, so Donato Laino, Strafverteidiger von Schettino, »wir bieten von uns an, eine Strafe von drei Jahren und fünf Monaten zu akzeptieren.« Er räumte ein, dass die Staatsanwaltschaft sich darauf sicher nicht einlassen werde.

Staatsanwalt Francesco Verusio sieht in Schettino den Hauptverantwortlichen für die Havarie. »Wenn Schettino nur eine Grußerweisung an Giglio beabsichtigt hatte, hätte er dies aus 4000 Metern Entfernung tun können, ohne das Schiff auf Grund zu setzen. Doch er wollte einem Mitarbeiter, dessen Verwandte auf Giglio wohnen, einen Gefallen tun und steuerte das Schiff so nahe ans Ufer. Das jedoch ist vorsätzliche Fahrlässigkeit«. Noch hat Verusio kein Strafmaß vorgegeben, die Möglichkeiten schwanken zwischen fünf und zwanzig Jahren Haft.

Auch Italiens Umweltministerium, die Insel Giglio und der Naturschutzbund WWF wollen Klagen gegen Schettino einreichen.

Parallel zum Verfahren wurde bekannt, dass sich die Bergung des Havaristen weiter erschwert. In Folge des langen Winters ist das Schiff um drei Meter gesunken.

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