Sie impulsiv, er still - eine leidenschaftliche Liebe

»Lebenswege der Brigitte Reimann« und ihr Briefwechsel mit Siegfried Pitschmann

  • Christel Berger
  • Lesedauer: 3 Min.

Das kurze und intensive Leben der Brigitte Reimann, vor achtzig Jahren, am 21. Juli geboren, bewegt und lässt kaum einen kalt. Kein Wunder, dass neue Bücher darüber erscheinen. »Lebenswege der Brigitte Reimann« heißt das informative, knapp fünfzig Seiten starke Buch von Christina Onnasch und der Fotografin Angelika Fischer. Sachlich und fundiert berichtet Christina Onnasch die Lebensstationen der Schriftstellerin, unterlegt mit Zitaten aus Tagebüchern und Briefen sowie fünfzig Fotos von den Lebensstationen, Erinnerungs-Orten, -Häusern und -Räumen der Reimann.

Das ist sowohl für Leser, die neu auf Brigitte Reimann gestoßen sind, eine ideale Einstiegsmöglichkeit in das Leben dieser interessanten Frau, als auch für deren langjährige Fans ein Wiedersehens-Kompendium, das man bequem bei sich tragen kann, wenn man auf den Spuren der Verehrten wandelt. Von der Geburtsstadt Burg über Hoyerswerda bis nach Neubrandenburg führte bekanntlich der Lebensweg, auch die Begleiter und Partner sind abgebildet und beschrieben.

Brigitte Reimann

  So lebenshungrig war sie – und starb mit 39 Jahren: Brigitte Reimann wurde zur literarischen Legende. Schon 1961 war ihre Erzählung »Ankunft im Alltag« mit ihrem Titel programmatisch für die Literatur der DDR gewesen. Ihr Roman »Franziska Linkerhand«, an dem sie trotz ihrer Krebserkrankung bis zuletzt gearbeitet hatte, blieb unvollendet. Als das Buch 1974, ein Jahr nach dem Tod der Autorin erschien, wurde es von einer hunderttausendfachen Leserschaft gefeiert.    Begeisterungsfähig, leidenschaftlich, kompromisslos, eine Rebellin, die dabei sinnlich und mädchenhaft war – so lebt Brigitte Reimann in der Erinnerung. Da ist ihr literarisches Werk nicht zu trennen von dem Bild, das man inzwischen von ihr hat. Eine Frau, eine Künstlerin, die nicht altern konnte.   Am Sonntag wäre Brigtitte Reimann 80 Jahre alt geworden. Aus diesem soll es zahlreiche Veranstaltungen geben, organisiert von der Brigitte-Reimann-Gesellschaft im Literaturhaus Neubrandenburg und nicht zuletzt in Hoyerswerda, wo die Autorin seit 1960 lebte. Am Sonntag wird dort eine Skulptur enthüllt, die an Brigitte Reimann erinnern soll.  (Foto: ZB)    

Siegfried Pitschmann war einer von ihnen - der Mann in zweiter Ehe, der von Brigitte Reimann bewunderte Schriftsteller, dessen Texte ihr um vieles besser als die ihren schienen. (Sein Hang zur Perfektion, seine Selbstzweifel und die Kulturpolitik machten ihm zeitlebens zu schaffen.) Erstmalig veröffentlicht nun Kristina Stella den Briefwechsel der beiden, versehen mit sehr kurzen Zwischentexten, die über das Geschehen außerhalb der brieflichen Inhalte informieren.

Es begann mit der Begegnung im Schriftstellerheim, ein Ort, der natürlich auch im Buch von Christina Onnasch eine Rolle spielt. Zum ersten Mal stoßen Pitschmann und Reimann zusammen oder aufeinander, als die impulsive Brigitte Reimann samt einem lauten Tross von Bewunderern dem in seine Musik versunkenen Beethoven-Verehrer kurzerhand die Radio-Übertragung eines Konzerts »wegdrehte« und im Sender nach Jazz suchte. Sie impulsiv, gern mit anderen Leuten zusammen, die sie mochten, er still, lieber allein mit sich, mit Musik, mit Arbeit - die gegensätzlichen Charaktere verliebten sich leidenschaftlich, ließen sich aus den jeweiligen Ehen, in denen sie lebten, scheiden, schworen ewige Liebe, heirateten und hatten dennoch selten die ruhige, harmonische und produktive Zeit, von der sie träumten.

Was war da nicht alles innerhalb dieser sechs Jahre (1958 - 1964), die sie zusammen lebten, voreinander flohen und es immer neu versuchten: Pitschmanns Selbstmordversuch und erste gemeinsame Erfolge, Geldmangel, Wohnungssuche, Betriebsbindungen, Brigitte Reimanns beginnender Ruhm und ihre Unfähigkeit, treu zu sein, denn die Männer ihrer Umgebung verliebten sich in sie und sie genoss es. Schließlich kam ein neuer Liebhaber, von dem sie nicht lassen wollte und konnte. Man quälte und trennte sich schließlich.

Die Briefe sind meist voller Fieber. Die Liebesschwüre sind heiß, manchmal verzweifelt, lassen kaum Platz für andere Probleme. Zuweilen klingen bei Pitschmann Schaffensfragen an, aber es geht doch vor allem um Liebe und Eifersucht und immer neue Versuche eines Miteinanders, das immer gefährdet war. »Sie können nicht ohne einander leben, aber miteinander können sie es auch nicht«, schreibt Kristina Stella im Vorwort.

Das Buch erschließt - über die bisherige reichhaltige Reimann-Literatur hinaus - neues Material, das dem Schillernden dieser von Lebens- und Liebeshunger gepeinigten Frau neue Momente hinzufügt. Siegfried Pitschmanns Versuche, der Geliebten ein Halt zu sein und sich gleichzeitig nicht selbst aufzugeben, verdienen Bewunderung und Respekt. Aber er konnte sie nicht aufhalten. Sein hier ebenfalls veröffentlichter Nachruf auf die zu früh Gestorbene ist ein Zeugnis menschlicher Größe. Schade, dass sich die Herausgeberin nicht entschließen konnte, die Sachverhalte in den Briefen zu kommentieren. Einiges bleibt so unverständlich.

Christina Onnasch/ Angelika Fischer: Lebenswege der Brigitte Reimann. Edition A.B. Fischer. 48 S., br., 12 €.

»Wär schön gewesen!« Der Briefwechsel zwischen Brigitte Reimann und Siegfried Pitschmann. Hg. v. Kristina Stella. Aisthesis Verlag. 308 S., geb., 24,80 €.

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