Mit den Braunen auf Patrouille

Im Sicherheitsgeschäft versuchen Neonazis anzudocken, die Branche reagiert abwehrend

  • Paul Liszt
  • Lesedauer: 3 Min.
In Berlin und Brandenburg tummeln sich im Sicherheitsgeschäft immer mehr auch Rechtsextreme. Das boomende Gewerbe versucht sich als Antwort auf diese gefährliche Entwicklung vertraglich abzusichern, um die Anstellung von Neonazis als Sicherheitskräfte bei Volksfesten und im Fußballstadion zu erschweren.

Sie stehen an den Türen von Diskotheken oder sorgen für die Sicherheit in Einkaufszentren – manchmal patrouillieren sie auch als Streifen durch Berliner Wohngebiete. Die Aufgabenbereiche von privaten Sicherheitsdiensten sind vielfältig und die Branche wächst. Uniformen und die mit ihnen verliehene Autorität ziehen dabei mitunter eine Klientel an, die in Security-Jobs eine Gelegenheit sieht, ihren Hang zur Gewalt auszuleben. Eine brisante Mischung: Hooligans, Rocker – und Neonazis.

Jüngst warnte der Brandenburgische Verfassungsschutz vor einer Unterwanderung der Sicherheitsunternehmen im Nachbarbundesland. Eine Einschätzung, die man beim Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) indes nicht teilt. »Rechtsextreme Mitarbeiter in der Branche sind nur ein äußerst vereinzeltes Ausnahmeproblem«, sagt der stellvertretende BDSW-Geschäftsführer Martin Hildebrandt. Er räumt allerdings ein mögliches »Vollzugsdefizit« ein, da sich die Unternehmen bei der Überprüfung ihrer Mitarbeiter auf eine »politisch extreme Gesinnung« auf die Sicherheitsbehörden verlassen müssten.

Vorfälle mit Neonazis mit Schutzaufgaben spielen sich häufig in Fußballstadien ab. Bei einem Heimspiel des SV Babelsberg 03 entdeckten Mitglieder der als linksorientiert geltenden Fanszene des Vereins Anfang Mai unter den Ordnern ihnen bekannte Mitglieder der rechten Szene. Dabei gewesen sein soll ein Mitglied der inzwischen verbotenen Berliner Kameradschaft »Frontbann 24« sowie der Schlagzeuger einer bekannten Berliner Rechtsrockformation. Nach dem Spiel kommt es auf dem Parkplatz vor dem Stadion zu einer Auseinandersetzung. Die für die Sicherheit beim SV Babelsberg zuständige Firma »Securitas« kündigt schließlich den Vertrag mit dem Subunternehmer aus dem Landkreis Teltow-Fläming, bei dem die Männer beschäftigt gewesen sein sollen.

In Berlin hatten antifaschistische Gruppen vor kurzem ebenfalls aufgedeckt, dass bei einer Tanzmeisterschaft Mitte Juni dieses Jahres drei Neonazis in den Westen einer Marzahner Sicherheitsfirma ihren Dienst verrichteten. Stefanie P. war früher Mitglied der 2005 verbotenen »Kameradschaft Tor« und wird inzwischen von Szenekennern zum Umfeld des »Nationalen Widerstand Berlin« gezählt. Der aus Lichtenberg stammende Kevin W. tritt regelmäßig bei NPD-Veranstaltungen auf, zuletzt bei einer Kundgebungstour gegen Flüchtlingsunterkünfte vor drei Wochen. Der Dritte im Bunde, Domenik P., beteiligte sich 2007 am Rande von Anti-Moschee-Protesten in Heinersdorf gemeinsam mit weiteren Neonazis an einen Angriff auf alternative Jugendliche. Das kritisierte Unternehmen reagierte schnell: Der Geschäftsführer distanzierte sich in einer Stellungnahme, die »nd« vorliegt, von neonazistischem Gedankengut. Die drei Neonazis seien bei einem Subunternehmer angestellt gewesen, mit dem man sofort die Geschäftsbeziehungen beendet habe. Der Geschäftsführer kündigt darüber hinaus an, dass das Unternehmen künftig eine Klausel in die Verträge für Subunternehmer aufnehme werde, die die Beschäftigung von Angehörigen rechtsextremer Organisationen ausschließe.

Bei einem Großevent in Friedrichshain am vergangenen Wochenende gab es eine solche Praxis nicht. »Man kann keine Menschen wegen ihrer politischen Gesinnung aussortieren«, erklärt Frank-Peter Bürger, Pressebeauftragte des »Berliner Bierfestival«. Das Festival galt lange Zeit als »Sammlungspunkt für Rechtsextreme«, berichtet die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR). Seit 2010 berät die MBR den Veranstalter der Biermeile, schult und unterstützt den eingesetzten Sicherheitsmitarbeiter im Umgang mit Rechtsextremen. Das seien »Präventionsmaßnahmen«, betont Bürger. Denn in den vergangenen Jahren habe es »keine Probleme« mehr gegeben.

Beobachter registrierten allerdings auch in diesem Jahr Rechtsextremisten. So sei beispielsweise ein Mann in der Ordnerkluft eines rechtsextremen Konzerts im brandenburgischen Finowfurt auf der Meile in Friedrichshain zugegen gewesen. Markus Roth von der Antifa Friedrichshain sieht beim Umgang von Sicherheitsdiensten mit Neonazis generell ein »Kulturproblem«: »Vielfach stößt man auf eine strukturelle Affinität zu rechtsoffenen Milieus.«

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