Konkurrenz für die Photosynthese

Zwei neue Studien lassen auf effizientere Umwandlung von Sonnenenergie in Wasserstoff hoffen

  • Steffen Schmidt
  • Lesedauer: 4 Min.

Während manche Sozialdemokraten und Linke hierzulande sich noch immer für die Nutzung der Kohle einsetzen, sah schon einer der Gründerväter der deutschen Sozialisten, August Bebel, im Sonnenlicht die perfekte Energiequelle der Zukunft. Und nicht nur das, auch die Wasserspaltung durch Elektrolyse hatte der damalige SPD-Vorsitzende schon 1909 als Quelle für Brennstoffe im Blick, wie ein Leser in Erinnerung brachte.

Reichlich hundert Jahre später hat der Sonnenschein Kohle, Öl und Erdgas noch längst nicht abgelöst, doch mittels Photovoltaik, Solarwärme-, Wind- und Wasserkraftanlagen liefert die Sonne einen rasch wachsenden Teil des Strombedarfs. Die meisten dieser erneuerbaren Energiequellen haben jedoch einen Nachteil gegenüber fossilen Energieträgern: Ihr Angebot schwankt. Deshalb sucht man allenthalben nach geeigneten Speichertechnologien für Wind- und Sonnenstrom. Batterien sind bisher zu teuer und aufwendig für massenhaften Einsatz, mögliche Standorte für Speicherkraftwerke auf Wasserkraftbasis sind rar. Solarthermische Großkraftwerke in heißen Ländern mit vielen Stunden Sonnenscheindauer speichern Wärme in Salztanks, um sie nachts zur Stromerzeugung zu nutzen. In unseren Breiten sind solche Solarkraftwerke allenfalls als Versuchsanlage für die Forschung sinnvoll.

Deshalb wird auch an einer anderen Speichertechnik gearbeitet: Wasserspaltung mit Sonnenenergie. Der gewonnene Wasserstoff kann dann bei Bedarf in Brennstoffzellen wieder verstromt werden oder - mit CO2 aus der Luft in Methan verwandelt - ins Erdgasnetz eingespeist werden. Mit der heutigen Technik geht das, wenn man überschüssigen Solar- und Windstrom nutzt, um Wasser elektrolytisch in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. Schon dabei gehen allerdings 25 bis 30 Prozent der elektrischen Energie wieder verloren.

Es gibt aber auch direkte Wege. Schon seit Jahrzehnten wird - auch im Zusammenhang mit den nie gebauten nuklearen Hochtemperaturreaktoren - an der thermischen Wasserspaltung gearbeitet. Dabei trifft Wasserdampf auf geeignete Metalloxide. Bei 800 bis 1000 °C gibt das Wassermolekül seinen Sauerstoff an die Metalloxide ab, Wasserstoff wird frei. Werden die Metalloxide weiter auf 1200 bis 1500 °C erhitzt, geben sie den Sauerstoff wieder ab. Dieser Kreislaufprozess wird beispielsweise in einer Versuchsanlage des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) im südspanischen Almeria seit 2008 genutzt. Eine neue Anlage im Megawattbereich ist geplant.

Vielleicht wird man dort Erkenntnisse einer Forschergruppe von der University of Colorado in den USA nutzen, die kürzlich im Fachblatt »Science« (Bd. 341, S. 540) vorgestellt wurden. Die Wissenschaftler um Alan W. Weimer fanden nämlich heraus, dass die Wasserstoffausbeute größer ist, wenn man die Anlage mit wechselndem Wasserdampfdruck statt mit wechselnden Temperaturen betreibt. In einem Kommentar dazu räumen die beiden DLR-Wissenschaftler Martin Roeb und Christian Sattler ein, dass die solarthermische Wasserspaltung ungefähr 20 Prozent der eingestrahlten Energie in Wasserstoff umwandeln müsste, um eine mit Solarstrom versorgte herkömmliche Elektrolyse zu übertreffen. Sattler sagte gegenüber »nd«, dass aktuelle Versuchsanlagen höchstens auf fünf Prozent Ausbeute kommen, manche sogar auf deutlich weniger. Allerdings zeige eine Untersuchung des Sandia-Nationallabors des US-Energieministeriums, dass eine Ausbeute von 20 bis 25 Prozent machbar wäre. Solche Werte hält Sattler aber frühestens in 10 Jahren für realistisch.

Eine zweite Variante, die auch in weniger von der Sonne verwöhnten Ländern funktionieren könnte, knüpft nicht an die Arbeitsweise großer Chemiereaktoren an, sondern an die Photosynthese grüner Pflanzen. Sie vereint gewissermaßen Solarzelle und Elektrolyse in einem Modul. Dass das im Prinzip funktioniert, weiß man zwar schon seit den Versuchen der Japaner Akira Fujishima und Kenichi Honda, die vor vier Jahrzehnten zeigten, dass an halbleitendem Titandioxid ultraviolettes Licht Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten kann. Die Beschränkung auf den kleinen ultravioletten Anteil des Sonnenlichts machte das System allerdings ziemlich ineffizient. Das änderte sich vor zwei Jahren mit dem »künstlichen Blatt« des Chemikers Daniel Nocera vom Massachusetts Institute of Technology. Das bestand aus einer konventionellen Silizium-Solarzelle, auf die eine hauchdünne Kobaltphosphatschicht als Katalysator aufgebracht war.

Die Verwendung preisgünstiger Siliziumsolarzellen hat allerdings einen Haken. Sie vertragen Wasser, zumal wenn es wegen der Elektrolyse noch mit Säure versetzt ist, ziemlich schlecht. Dieses Problem haben jetzt Wissenschaftler aus dem Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) und der TU Delft in den Niederlanden gelöst. Bei ihrer im Fachjournal »Nature Communications« (doi: 10.1038/ ncomms3195) vorgestellten Zelle liegt zwischen dem empfindlichen Silizium und dem Kobaltphosphat-Katalysator noch eine zusätzliche Metalloxid-Schicht. Diese Schicht aus Wismut-Vanadat mit einigen Wolframatomen dient einerseits als Elektrode zur Abspaltung von Sauerstoff, zum anderen schützt sie das Silizium vor dem Wasser. Damit erreichen die Wissenschaftler um Roel van den Krol vom HZB und den Delfter Bernard Dam eine Ausbeute von fast fünf Prozent Wasserstoff. Noch ist es allerdings eine kleine Laborapparatur. Bis das Ganze in Quadratmetergröße preiswert verfügbar ist, werden noch einige Jahre ins Land gehen. Dann könnten hundert Quadratmeter dieser Zellen in einer sonnigen Stunde selbst in Deutschland drei Kilowattstunden in Form von speicherbarem Wasserstoff liefern.

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