NSA-Skandal hilft den Piraten nicht

Laut Umfragen würde die Partei den Einzug in den Bundestag verpassen / Vorsitzender Schlömer wenig zuversichtlich

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Piraten können von der Geheimdienst-Spionageaffäre noch immer nicht profitieren. Auch Aussagen der Parteispitze klingen angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl nicht sonderlich zuversichtlich.

Die Spionageaffäre hätte das große Wahlkampfthema der Piraten werden können. Denn die Partei inszeniert sich in erster Linie als Kämpferin für Datenschutz und Bürgerrechte. Aber eine große Welle der Empörung in der Bevölkerung gegen die geheimdienstlichen Abhör- und Ausspähmaßnahmen ist bisher ausgeblieben. Und die Piraten verharren in Umfragen zwischen zwei und drei Prozent. »Ich glaube, wir werden von dem Thema noch profitieren«, sagte gestern Parteichef Bernd Schlömer in der Berliner Wahlkampfzentrale. Union und SPD würden sich gegenseitig vorwerfen, wer der schlimmere Datenschutzverletzer sei. Lösungen hätten beide Parteien nicht anzubieten. Sonderlich zuversichtlich klang Schlömer nicht. Vor kurzem hatte der Piraten-Chef der »Stuttgarter Zeitung« noch gesagt: »Wenn wir jetzt nicht in den Bundestag einziehen, träte kein großer Schaden ein. Es geht eben nicht immer nur nach oben.« Mit Wahlprognosen hielt er sich bei der gestrigen Pressekonferenz zurück.

Gegen die etablierten Parteien dürften es die in der Vergangenheit oft zerstrittenen Piraten schwer haben. Sie werden nicht bei den zentralen Fernsehdebatten vertreten sein. Zudem haben sie für ihren Wahlkampf weniger Geld zur Verfügung. Nach Angaben von Schlömer setzen sich die 500 000 bis 750 000 Euro aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und der staatlichen Parteienfinanzierung zusammen.

Einst wurden die Piraten von den Medien bei vielen politischen Themen als »ahnungslos« verspottet. Inzwischen haben sie ein 162 Seiten langes Wahlprogramm, das sich auch mit Umwelt, Verbraucherschutz, Bildung, Außenpolitik, Arbeit, Sozial- und Wirtschaftspolitik beschäftigt. Im Wahlkampf setzt die Partei aber fast ausschließlich auf ihre Kernthemen. Sie will Korruption bekämpfen und mehr Transparenz herstellen. »Wir fordern ein Lobbyregister. Darin sollen sich alle Kanzleien, Unternehmen und Verbände eintragen, die Einfluss auf die Gesetzgebung im Bundestag nehmen«, sagte Schlömer. Zudem sollten Parteien und Abgeordnete alle Spenden und Nebeneinkünfte veröffentlichen. Anke Domscheit-Berg, die nach dem Rücktritt des dortigen Vorsitzenden seit einer Woche den Brandenburger Landesverband anführt, sprach sich für einen freien Zugang zu Dokumenten der Verwaltung und der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags aus.

In den noch verbleibenden fünf Wochen bis zur Wahl kämpft die Partei auch um Stimmen von Protestwählern, die ihr den Einzug in vier Landesparlamente ermöglichten. Schlömer kündigte an, er wolle Geld in die Spree werfen, um auf die Verschwendung öffentlicher Gelder aufmerksam zu machen. Wenn sich die Umfragen bestätigen sollten, werden auch die Piraten nach der Bundestagswahl baden gehen. Bei der Europawahl im kommenden Jahr erwartet die Partei ebenfalls keine großen Zuwächse. Sie will den Bundestag verklagen, sobald das Gesetz über eine Dreiprozent-Sperrklausel für die Europawahl in Kraft tritt.

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