Besser auf der Straße sterben als in Lagern

Flüchtling Ghlam Vali aus Pakistan hofft, dass der Protest nicht umsonst war

  • Lesedauer: 3 Min.
Seit Samstag ist der Protest der Flüchtlinge zunächst für drei Monate ausgesetzt. Einer der Hungerstreikenden war Ghlam Vali aus Pakistan. Über den Hungerstreik und die Perspektiven danach sprach er für »nd« mit Stephan Fischer.

nd: Herr Vali, sie waren einer der Hungerstreikenden der letzten zehn Tage. Wie geht es ihnen jetzt?
Vali: Ich fühle mich vor allem sehr schwach, mein ganzer Körper ist so sehr geschwächt. Ich habe Schwierigkeiten zu gehen. Wenn ich nur ein kleines Stück laufe, bin ich sofort sehr müde. Ich bin auch extrem ausgetrocknet. Und natürlich habe ich in den letzten zehn Tagen auch viel Gewicht verloren.

Waren Sie auch schon vorher an Protestaktionen beteiligt?
Ich war auch schon beim Protestmarsch von Würzburg nach Berlin dabei, auch beim Hungerstreik in München, den Protestcamps in Nürnberg und Passau. Bei den Protestmärschen in München und Berlin bin ich mitgelaufen. Insgesamt habe ich beim ganzen Protest seit letztem Jahr mitgemacht.

Wie schwer ist Ihnen die Entscheidung gefallen, in einen trockenen Hungerstreik einzutreten, also neben Nahrung auch Flüssigkeit zu verweigern?
Das war eine extrem harte Entscheidung für mich. Wie für alle anderen auch: Kein Mensch will auch nur einen Tag hungrig bleiben. Aber ich habe mich in diesem Land als Gefangener wiedergefunden: Ich konnte wegen der Residenzpflicht nicht hingehen, wo ich wollte. Arbeiten wurde mir nicht erlaubt, nicht einmal grundlegend Deutsch konnte ich lernen. Deshalb haben wir gesagt, es ist besser auf die Straße zu gehen und dort zu sterben, als in den Lagern an Depressionen zu sterben. Das war unsere letzte Option in München und auch in Berlin, weil es eben buchstäblich um Leben und Tod ging.

Mussten sie während der Streiks auch ins Krankenhaus?
Ja, zweimal in München und hier in Berlin auch einmal über Nacht. Aber Gott sei Dank habe ich es überlebt. Anderen Freunden geht es viel schlechter, ihre Gesundheit ist total angegriffen, sie fühlen sich jetzt noch sehr schwach. Viele waren ja auch noch vom Hungerstreik in München angegriffen. Aber ich hoffe, dass es jetzt mit vielem Ausruhen und Medikamenten wieder besser wird.

Jetzt ist ein Kompromiss gefunden, für die nächsten drei Monate zumindest. Sehen Sie denen optimistisch entgegen?
Ich bin erst einmal glücklich, dass wir nun über unsere Anliegen reden und verhandeln können. Dass ein Weg offensteht. Das ist ein gutes Ergebnis. Wir können jetzt aber erst einmal nur hoffen, dass es gut endet, unsere Ersuchen sorgfältig geprüft werden. Wir können jetzt nur darauf warten. Mitte Januar werden wir sehen, was es gebracht hat.

Wie haben Sie die Berliner Polizei erlebt?
In den ersten Tagen ziemlich schlimm, bei Regen haben sie uns Dinge weggenommen, mit denen wir uns vor der Nässe schützen wollten. Dann mussten immer mehr von uns immer wieder ins Krankenhaus. In den letzten Tagen war ihr Verhalten o.k., sie haben uns nicht mehr angefasst. Sie haben uns zwar kein Zelt erlaubt, aber sie haben uns auch nichts mehr weggenommen.

Wie kann man Ihnen zurzeit am besten helfen?
Wir kommen ja direkt von der Straße. Zunächst einmal brauchen wir Lebensmittel, Kartoffeln, alles Mögliche. Vor allem aber auch Kleidung, ich hatte nicht einmal mehr Schuhe an den Füßen. Einige Menschen haben uns schon etwas vorbeigebracht, das hilft alles sehr, wir freuen uns über die Solidarität. Auf unserer Website »refugeestruggle.org« gibt es auch einen Spendenaufruf und eine Kontoverbindung.

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