Hand in Hand Richtung Energiewende

Umwelt- und Sozialverbände fordern einen gerechten und solidarischen Umbau

  • Grit Gernhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
Umweltschutz und Energiewende haben nur dann eine Chance, wenn sie sozial gerecht vonstatten gehen. Das bekräftigte ein neues Bündnis aus Verbänden in Berlin.

In der öffentlichen Diskussion über die Energiewende scheint es oft so, als ob Sozial- und Umweltverbände mit ihren Forderungen zur Energiewende nicht auf einen gemeinsamen Nenner kämen: Erstere fordern weniger Belastungen für die Ärmsten im Lande, Letztere mehr Anstrengungen beim Ausbau der Erneuerbaren, der aber mit mehr Kosten verbunden ist - und diese werden von Politik und Wirtschaft derzeit gerne auf die Bürger abgewälzt.

Dass sich soziale Belange und die Energiewende aber keineswegs ausschließen, sondern vielmehr Hand in Hand gehen müssen, bekräftigt nun ein breites Bündnis aus neun Verbänden und Organisationen. Vorgestellt wurde es am Freitag in Berlin vom Vorsitzenden des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger, und dem Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider. An der »Charta zur sozial gerechten Energiewende« sind u.a. auch die Volkssolidarität und die Deutsche Umwelthilfe beteiligt.

Weiger sieht es mit Sorge, dass die »überfällige Energiewende« in Frage gestellt und zudem Sozial- und Umweltverbände gegeneinander ausgespielt werden. Ein solches »Jahrhundertprojekt« müsse »soziale und ökologische Leitplanken haben«. Notwendig sei eine Energiewende von unten, dezentralisiert und fair. Um Kosten zu senken, müsse Energie sparsamer eingesetzt werden. Konkret forderte Weiger mehr Energieberatung für Haushalte und die Entwicklung effizienterer Geräte.

Auch die Gebäude müssten energieeffizienter werden, dafür reiche aber die derzeitige staatliche Förderung nicht aus. Fünf Milliarden Euro jährlich seien für eine langfristige Planung mindestens vonnöten, so Weiger. Diese dürften dann aber nicht nur »Luxussanierern« zugute kommen, sondern müssten dazu dienen, auch einkommensschwachen Haushalten energieeffizientes Wohnen zu ermöglichen.

Die Energiewende sei ein »Projekt der Gesellschaft - ein Überlebensprojekt!«, bekräftigte Weiger. Nur wenn sie fair und transparent, umwelt- und sozialverträglich vonstatten gehe, sei die Gesellschaft bereit, sie auch aktiv zu unterstützen.

In dieselbe Kerbe schlug auch Schneider: Die Energiewende werde »in den nächsten Jahrzehnten Lebensqualität und -umstände, Wohnen und Arbeiten beeinflussen«, sagte er. Deshalb müsse man sich »frühzeitig einmischen und die richtigen Bündnispartner suchen«.

In die laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD und einen anschließenden Koalitionsvertrag müssten mindestens die zwei Hauptforderungen der Sozialverbände aufgenommen werden, sagte Schneider. Wenn alle Menschen ihre Stromrechnung zahlen können sollten, müssten für Hartz-IV- und andere Sozialleistungsbezieher die Stromkosten in voller Höhe übernommen werden, wie es bei den Heizkosten gehandhabt werde. Als zweites müsse die Regierung den im Jahr 2011 abgeschafften Energiefaktor beim Wohngeld wiedereinführen. Davon würden rund eine Million Haushalte profitieren, so Schneider.

Insgesamt kosteten die beiden Vorschläge ca. 800 Millionen Euro jährlich - das sei aber eine notwendige Ausgabe. Und finanzierbar: Für 2014 erwarte der Bund allein durch die Mehrwertsteuer auf die EEG-Umlage Mehreinnahmen von 250 Millionen Euro. Schneider forderte auch eine strenge Überprüfung der milliardenschweren Ausnahmeregelungen für die Industrie.

Dieses Ungleichgewicht zwischen den Hauptverursachern der Kosten und denjenigen, die sie ausbaden müssen, rief auch Weiger den anwesenden Journalisten noch einmal eindringlich ins Gedächtnis. Die Atomkatastrophe in Fukushima zeige es deutlich: Wer weder Geld noch Wohnalternativen habe, müsse in der freiwilligen Evakuierungszone bleiben. Egal, ob Luftverschmutzung durch Kohlekraftwerke, Lärm oder steigende Stromkosten - die Leidtragenden seien immer die Ärmsten. Und deren Anzahl steigt: Laut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes war im Jahr 2011 fast jeder sechste Deutsche armutsgefährdet - Tendenz weiter steigend.

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