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Ein Meer von Sprit

In Bremen versprechen sich Investoren von Arealen mit militärischen Altlasten künftig gute Gewinne

  • Alice Bachmann, Bremen
  • Lesedauer: 3 Min.
Was soll mit Bremens Bunkern werden? Oder mit dem riesigen Militär-Tanklager im Ortsteil Farge? Die Meinungen darüber gehen in der Hansestadt sehr auseinander.

In Zeiten steigender Grundstückspreise werden die Bremer Bunker zunehmend attraktiv für Investoren. In der Hansestadt gibt es über 100 dieser Kriegsrelikte über der Erde. Der Bunker in Peterswerder, dem angesagtesten Ortsteil, liegt in einer ruhigen Seitenstraße. Die Weser-Wiesen sowie das Werder-Stadion sind von dort gut zu Fuß zu erreichen, desgleichen die in die City führenden Einkaufs- und Vergnügungsgebiete »Steintor« und »Ostertor«.

Trotz des erbitterten Widerstands der Anwohner in Peterswerder setzte sich dort ein Investorenteam durch und konnte nach langen, zähen Verhandlungen mit dem Bunkerabriss beginnen. Dort, wo ein Luxuswohnungskomplex mit Tiefgaragen entstehen soll, klafft nun eine große Lücke im Straßenbild. Aber nach vier Monaten ist noch nicht einmal abzusehen, wann der Abriss fertig ist.

Trotz intensiver Untersuchungen der Bunkerbeschaffenheit, des Untergrunds und der potenziellen statischen Probleme gilt es nun plötzlich, eine bisher nicht bekannte Bodenplatte zu entfernen. Das Spezialverfahren ist derart laut, dass das durch die renitenten Anwohner und die ständig neuen Abriss-Herausforderungen gebeutelte Bauamt nur zwei Arbeitsstunden pro Tag erlaubt. Was der Nachbarschaft weiterhin Nerven raubt - und sie zu immer neuen Anläufen der zivilisierten Abriss-Sabotage in Form weiterer Gutachten treibt. Fünf Gehminuten entfernt, ebenfalls in bester Lage, lud kürzlich die »Bima« zur viel beachteten Besichtigung eines anderen Bunkers. Die führte schnurstracks zur Gründung einer Bürgerinitiative zur Verhinderung eines Abrisses. »Bima« steht für Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die zuständig ist für die Verwaltung von Grundstücken, die für Bundeszwecke nicht mehr benötigt werden.

Bremens Bunkerproblem in begehrten Wohnlagen erscheint allerdings fast niedlich im Vergleich zum Fall des weltweit größten bekannten unterirdischen Tanklagers, das einst die Nationalsozialisten in Bremens Randlage bauten - in Farge, einem Ortsteil von Bremen-Blumenthal. Auch das vor fünf Monaten von der Bundeswehr aufgegebene Lager steht derzeit zum Verkauf. Und dies obwohl die 78 Tanks der Grund für derart starke Bodenkontaminationen mit Benzol und anderen Giftstoffen sind, dass die Bremer Umweltbehörde bereits seit Jahren vor der Nutzung des Grundwassers im Areal um das Tanklager warnt. Der Bereich betrifft auch die angrenzende niedersächsische Gemeinde Schwanewede. Bürgerinitiativen und Ortsbeiräte vermuten in den Bodenverschmutzungen den Grund für den Anstieg der Krebsrate in der ansässigen Bevölkerung, die vor der Warnung das Grundwasser auch zum Gemüsegießen nutzte.

Außerdem wollen die Bürgerinitiativen eine komplette Schließung des Tanklagers erreichen und fordern den jetzt amtierenden grünen Bremer Umweltsenator Joachim Lohse zur völligen Transparenz auf. Die Krebsfälle sollen untersucht, die komplette Liste aller gefundenen Schadstoffe und die zum Lager gehörenden Genehmigungen offen gelegt werden.

Trotz des teuren Sanierungsbedarfs machen die bestehenden Genehmigungen das marode Tanklager lukrativ. Dabei ist die Genehmigungslage laut Umweltsenator nicht leicht zu klären. Immerhin sind acht Behörden vom Wasserwerk Bremen-Blumental über das Gewerbeaufsichtsamt Bremen bis zur Bundeswehrstelle für stillgelegte Anlagen und Grundstücke zuständig.

Nicht nur der Gesamtverband Natur- und Umweltschutz Unterweser fordert vom Umweltsenator, alle Genehmigungen zurückzuziehen und das Lager stillzulegen. Auch der Beirat Blumenthal fordert vom rot-grünen Senat diese Entscheidung. Und die Linksfraktion in der Bremischen Bürgerschaft ebenso. Allerdings: Umweltsenator Lohse hat gerade wieder im Gespräch mit Anwohnern betont, dass er das Tanklager nicht schließen, sondern weiter sanieren und in Betrieb halten will.

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