Billigscheidung für 95 Euro

In Spanien können sich kinderlose Ehepaare künftig ohne teure Anwälte trennen

  • Heinz Krieger, Madrid
  • Lesedauer: 3 Min.
In Spanien soll die Billigscheidung vor einem Notar eingeführt werden. Die Kosten sollen bei 95 Euro liegen. Bisher ging das nur in Kirchen, beim Standesamt oder vor dem Bürgermeister.

Heiraten wird in Spanien bald leichter, Scheidungen auch. Alles soll ohne große Umstände vor einem Notar über die Bühne gehen. Für 95 Euro.

168 835 Paare haben sich 2012 in Spanien das Ja-Wort gegeben. 110 764 Ehen wurden geschieden - die höchste Zahl seit 2008. Auch wenn sich die Zahl der Eheschließungen in den letzten drei Jahrzehnten in Spanien statistisch halbiert hat, so sind die Wartezeiten bei Standesämtern doch lang. Dem will die Regierung in Madrid abhelfen. Justizminister Alberto Ruiz Gallardon hat angekündigt, dass Ehen künftig auch vor dem Notar geschlossen werden können. Auch einvernehmliche Scheidungen sind vor dem Notar möglich. Billig soll’s sein, verspricht der Justizminister: Man denkt an eine Gebühr von 95 Euro.

Möglich wird die Erleichterung von Ehe und Scheidung durch eine Reform des bürgerlichen Gesetzbuches, die das Kabinett in seiner jüngsten Sitzung beschlossen hat. Dabei sei es auch um »erträgliche Gebühren im Gesamtrahmen der Kosten für eine Hochzeit« gegangen, sagte Gallardon. Der in seiner konservativen Volkspartei als progressiv geltende Minister betonte, dass es nicht um »Privatisierung« gehe, sondern um Entlastung der überlasteten Standesämter. Für den Fall der notariellen Scheidung betonte er, dass nur einvernehmliche Scheidung kinderloser Ehepaare möglich sei. Bei Kindern muss in jedem Fall ein Richter über Eheauflösung und Sorgerecht entscheiden.

Bisher war die Eheschließung in Spanien nur in einer anerkannten Kirche mit entsprechendem Staatsvertrag, vor dem Standesbeamten mit Richterbefähigung beim »Registro Civil« oder beim Bürgermeister der Heimatgemeinde eines Ehepartners möglich. Die Zahl der kirchlichen Trauungen ist im überwiegend katholischen Spanien seit langem rückläufig. Nur 55 000 der Trauungen fanden 2012 in der Kirche statt, davon waren 41 778 katholisch. Diese Ehen werden laut einem Staatsvertrag von 1992 den zivilrechtlich geschlossenen gleichgestellt. Das Statistikamt verzeichnete 2012 übrigens 529 islamische Hochzeiten mit Zivilbindung.

Noch 1996 wurden 76,74 Prozent aller Eheschließungen in Spanien in der Kirche vollzogen, 23,07 Prozent vor dem Standesamt. Das hat sich fast umgekehrt. 2011 waren nur noch 39,41 Prozent kirchliche und 60,07 Prozent standesamtliche Trauungen.

Statistisch wird die Zahl der Ehen pro 1000 Einwohner erfasst. Sie lag 1976 noch bei 14, heute bei sieben pro Tausend. »Wilde Ehen« sind auch in Spanien schon lange nicht mehr wild, sondern von der Gesellschaft akzeptierte Normalität.

Die geschiedenen Ehen hatten im Durchschnitt 15,2 Jahre gehalten. Drei von zehn Scheidungen kamen nach mehr als 20-jähriger Ehe zustande, zwanzig Prozent nach einer Dauer von sechs bis zehn Jahren.

Für alle Ehen ist auch ein weiterer Beschluss des Ministerrates wichtig: Im reformierten Bürgerlichen Gesetzbuch wird das Mindestalter für die Eheschließung von 14 auf 16 Jahre heraufgesetzt. Damit soll die spanische der international üblichen Regelung angepasst werden. Im vergangenen Jahr sind laut Angaben des Statistikamtes 268 Ehen Minderjähriger geschlossen worden. Darunter waren 81 mit 15 Jahren oder jünger.

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