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- Premiere für die Compagnie Deutschland im wiedererstandenen Rhemsberger Schlosstheater
Vom Match zum Sterbenden Schwan
Der Startplatz der «Compagnie Deutschland» war alles andere als zufällig gewählt. Das Schlosstheater Rheinsborg, einen Tag nach der Uraufführung von Siegfried Matthus «Kronprinz Friedrich»-Oper. In der Ballett-Ödnis des Landes Brandenburg hofft die neu gegründete Compagnie bei Gastspielen ein großes und interessiertes Publikum zu finden. Langfristig strebt die einstige Primaballerina der Komischen Oper Berlin, Jutta Deutschland, die der Neugründung Namen und Profil gibt, vor allem die Aufführung von Handlungsballetten an. Vor allem die jetzt ungenutzten Meister-Choreografien des befreundeten Tom Schilling möchte sie dem Publikum später wieder zeigen. Aber das ist eine Frage der Zeit, hängt von der künftigen Compagnie-Stär ke und den sich bietenden Auftrittsmöglichkeiten ab. In manchem Kleinstadtoder gar Gemeinde-Saal wird «nur» Kammertanz möglich sein. Und just den bot die Compagnie, hier zunächst mit zwölf Klasse-Tänzern (nur zwei Herren dabei), in Rhoinsberg. Der Saal wurde für diesen Zweck schnell umgerüstet. Bühne abgebaut, Orchestergraben überdeckt, Tanzteppich drüber. Und schon konnte es los gehen. Auch bei den nachfolgenden Gastspielen der «Distel» und einer Musical-Show zeigte sich, wie vielseitig und variabel das neue Schlosstheater zu nutzen ist.
Das Ballettprogramm bot bewährte Choreografien und eine Uraufführung. Zu einer ausdrucksstarken Minimal-Music von Philip Glass (Violinkonzert) hat Volker Tietböhl, vielen Tanzbegeisterten sicher durch seine Arbeiten für das Fernsehballett in guter Erinnerung, das «Concert in Blau» choreografiert. Der einstige Schilling-Schüler ist auch mit dem klassischen Tanz verbunden. Das bestätigte sich beim «Italienisches Konzert», nach der gleichnamigen Bach-Komposition. Genau sind die Ausdruckscharaktere dieser Musik umgesetzt, sprung- und figurenreich die flotten Ecksätze, tief verinnerlicht der langsame Mittelsatz. Von Siegfried Matthus (Komposition) und Tom Schilling (Choreografie) wurde «Match» vorgestellt. Ein heiteres Stück über männliche Arroganz und weibliche Überlegenheit, mit dem einst Hannelore Bey erfolgreich war, wie danach auch Jutta Deutschland. Jetzt war Ala Munteanu mit Lars Scheibner zu erleben. Und beide konnten mit dieser tänzerisch-sportiven Miniatur gefallen.
Ala Munteanu, eine bei internationalen Wettbewerben ausgezeichnete Tänzerin, wurde mit dem Kommen des neuen Ballettchefs der Komischen Oper, Richard Wherlock, dort entlassen. Ihre Vorgängerin, Jutta Deutschland, hatte das Ensemble bereits vor Jahren aus Protest verlassen, weil das Erbe des Gründers des Tanztheaters der Komischen Oper, Tom Schilling, dort nicht mehr die verdiente Beachtung fand. Erfreulich, dass Teile des Repertoires des einstigen Tanztheaters nun mit der neuen Compagnie eine Chance zur Aufführung erhalten. Dazu gehört auch Dietmar Seyfferts «Infantin und Narr» (nach exotisch erotischer Vokalmusik von Heitor Villa-Lobos). Ein Stück über weiblichen aristrokratischen Dünkel mit Amanda Bollinger und Marat Allev als Solisten.
Die vielfältigen stilistischen Möglichkeiten der Truppe von Jutta Deutschland zeigten sich bei «A Likely Quartet» nach Tartini-Klängen. Unter Verwendung von Mitteln der Graham-Technik zelebrieren vier Tänzerinnen die Verknüpfung von Artistik und Emotion. Und dann eine Rückblende auf die große russische Schule: Alice Psaroudaki drei Minuten und 14 Sekunden lang als «Der sterbende Schwan», ergreifend menschlich dabei, nach den warmen Cello-Klängen Camille Saint-Seans.
Es war ein verheißungsvoller Beginn, nachdem im Dezember in einem Adventskonzert des Rundfunkkinderchores schon die Kindertanzgruppe der Compagnie ihr Debüt nach zwei Kinder-Weihnachtsliedern gegeben hatten: erste tastende Schritte vor der Perfektion der Großen, die man nun in Rheinsberg erleben und feiern konnte.
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