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Sozialauswahl: Sind Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte gleichwertig einzubeziehen?

  • Lesedauer: 4 Min.
Mit Interesse habe ich Ihren Beitrag gelesen, welche Kriterien für die Sozialauswahl bei einer Kündigung aus betriebsbedingten Gründen gelten. Leider habe ich keine Antwort auf meine Frage gefunden: Sind in die Sozialauswahl Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte gleichberechtigt einzubeziehen? Bei der Kündigung einer Kollegin in unserem Betrieb wurden in die Sozialauswahl nur Teilzeitbeschäftigte einbezogen. Birgitt R., Jena Das Kündigungsschutzgesetz verpflichtet den Arbeitgeber bei einer Kündigung aus betriebsbedingten Gründen zwischen vergleichbaren Arbeitnehmern eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten zu treffen. Zu prüfen ist die Dauer der Zugehörigkeit zum Betrieb, das Lebensalter des Arbeitnehmers, seine Unterhaltsverpflichtungen und eine eventuelle Schwerbehinderung.
Zu den »vergleichbaren« Arbeitnehmern zählen nicht nur Arbeitnehmer mit gleicher Tätigkeit und Qualifikation. In einem konkreten Fall können auch bei gleicher Tätigkeit Voll- und Teilzeitkräfte infolge der Dauer der Arbeitszeit nicht vergleichbar sein.
Der Arbeitgeber kann im Rahmen seines Direktionsrechts darüber befinden, dass für bestimmte Tätigkeiten nur Vollzeit- oder Teilzeitkräfte eingesetzt werden. Hat der Arbeitgeber eine solche Organisationsentscheidung getroffen, so ist sie auch für die Sozialauswahl bindend. Sie könnte als eine so genannte »freie Unternehmensentscheidung« im Streitfall nur darauf überprüft werden, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.
Hat der Arbeitgeber für bestimmte Tätigkeiten nur Vollzeitkräfte vorgesehen, sind bei der Kündigung einer Teilzeitkraft die Vollzeitkräfte nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen.
Anders wäre die Rechtslage dann, wenn der Arbeitgeber durch die betriebsbedingte Kündigung lediglich die im Betrieb insgesamt geleisteten Arbeitsstunden reduzieren möchte. In diesem Fall wären alle vergleichbaren Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf ihre Arbeitszeit für die Sozialauswahl zu berücksichtigen.


IST DIE ZUWEISUNG VON TÄTIGKEITEN IN NIEDRIGER LOHNGRUPPE ZULÄSSIG?

Ich bin als Facharbeiter (Schlosser) beschäftigt. Jetzt hat mir der Arbeitgeber eine minder qualifizierte Tätigkeit mit der Begründung zugewiesen, dass dies zur ordnungsgemäßen Aufrechterhaltung der Produktion erforderlich ist. Ist das zulässig?
Andreas S., Neuruppin

Innerhalb des Direktionsrechts kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nur eine tarifrechtlich gleichwertige Tätigkeit übertragen. Die Übertragung einer geringwertigen Tätigkeit ist ohne einen Änderungsvertrag nicht zulässig, es sei denn, dass eine solche Versetzungsbefugnis im Tarifvertrag oder im Arbeitsvertrag vereinbart worden ist.
Zulässig ist eine solche Vereinbarung dann, wenn sie folgende Voraussetzungen erfüllt:
- Die Einweisung des Arbeitnehmers in eine Tätigkeit mit einer niedrigeren Lohngruppe muss aus dringendem Bedarf oder einem Arbeitsmangel erforderlich sein.
- Für die Tätigkeit in der niedrigeren Lohngruppe darf kein anderer geeigneter Arbeitnehmer verfügbar sein.
- Die Zuweisung einer niedriger bewerteten Tätigkeit muss unter Fortzahlung der vereinbarten Vergütung des Arbeitnehmers erfolgen und ist zeitlich zu begrenzen.
Eine solche Ausweitung des Direktionsrechts des Arbeitgebers kann bereits im Tarifvertrag geregelt sein. Besteht für den Betrieb keine solche entsprechende tarifliche Regelung, so spricht nichts dagegen, im Interesse eines flexiblen Arbeitskräfteeinsatzes eine entsprechende Klausel in den Arbeitsvertrag aufzunehmen.


WANN IST EINE KLAGE AUF ÜBERSTUNDENVERGÜTUNG ERFOLG VERSPRECHEND?

Seit längerer Zeit ist die Bewältigung der mir vom Arbeitgeber übertragenen Arbeitsaufgaben ohne Überstunden nicht mehr möglich. Ich habe das mehrmals unserem Bereichsleiter mitgeteilt und mir auch eine Überstundenaufstellung gemacht. Dennoch weigert sich der Arbeitgeber, mir diese Zeit zu bezahlen. Ist eine Klage Erfolg versprechend?
Thomas U., Apolda

Das Bundesarbeitsgericht hat in dieser Frage wie folgt Stellung bezogen: Eine Klage auf Vergütung von Überstunden setzt voraus, dass der Arbeitnehmer die geleistete Mehrarbeit im Einzelnen darlegen kann. Er hat ferner zu beweisen, dass die Überstunden vom Arbeitgeber jeweils angeordnet oder gebilligt wurden.
Sollte das nicht möglich sein, wäre darzulegen und zu beweisen, dass die Überstunden zur Erledigung der geschuldeten Leistung erforderlich waren und der Arbeitgeber sie geduldet hat.
Entscheidend ist somit, dass dem Arbeitgeber die tatsächlich erfolgte Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer bekannt ist und er hiergegen nicht einschreitet, sondern diese hinnimmt.
Sollte der Fragesteller daher den Bereichsleiter nachdrücklich auf die Notwendigkeit der Leistung von Überstunden aufmerksam gemacht haben und dieser das auch geduldet haben, könnte die Klage auf Überstundenbezahlung Erfolg versprechend sein.

Dr. PETER RAINER

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