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soziale Brennpunkte

Regierung schwenkt Gießkanne über Städte Von Andreas Fritsche

  • Lesedauer: 4 Min.

Etwa 80 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung wohnen in Städten. Immer mehr von ihnen in Stadtteilen, die als »soziale Brennpunkte« definiert werden. Das heißt Besserverdienende ziehen weg, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger bleiben zurück. Damit verbunden sind Häuserverfall, Drogenprobleme, Gewaltbereitschaft und Vandalismus. Im Westen entwickeln sich solche Stadtteile zu Ghettos von Einwanderern. Türkische Heranwachsende etwa sind dadurch zunächst nicht gezwungen, die deutsche Sprache gut zu erlernen. Später verschlechtert das ihre Chancen auf Ar beits- und Ausbildungsplätze deutlich. Die soziale Problemlage verschärft sich.

Bundesbauminister Reinhard Klimmt (SPD) möchte diesem gefährlichen Trend mit dem Förderprogramm »Soziale Stadt« begegnen. Auf den Weg gebracht wurde es schon im Juli vorigen Jahres. Die Bundesregierung stelle dafür jährlich 100 Millionen Mark zur Verfügung, sagte Klimmt am Mittwoch in Berlin anlässlich einer Konferenz zur »Sozialen Stadt«. Weitere 200 Millionen Mark kommen je zur Hälfte von Ländern und Gemeinden. Damit stehen laut Bauminister bis 2003 insgesamt 1,5 Milliarden Mark für das Programm bereit. Neben besseren Wohnungen sollen Verkehrsanbindungen für die Stadtteile gebaut und in ihnen Frei- und Grünflächen geschaffen werden. Darüber hinaus ist die Förderung der sozialen Infrastrukturen geplant, indem etwa Stadtteilzentren errichtet werden. Davon erhofft sich Klimmt die Wiederherstellung gemischter Bewohnerstrukturen und mehr Sic^.erh.eit auf den Straßen,

Begleitend hat das Bundesfamilienministerium ein 15-Millionen-Programm für Jugendarbeit in zunächst 20 ausgewählten sozialen Brennpunkten aufgelegt. Zusammen mit Geldern aus andern Förder topfen stehen dafür insgesamt 70 bis 80 Millionen Mark zur Verfügung, so SPD- Ministerin Christine Bergmann. Integriert ist ein Freiwilliges Soziales Trainingsjahr. Es soll besonders benachteiligten Jugendlichen erstmals ab April fehlende soziale und berufliche Schlüsselqualifikationen vermitteln. Bisher befand sich die För dermaßnahme in der Vorbereitungsphase. Eine Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern wurde unter zeichnet. Alle Bundesländer haben

zusammen 162 betroffene Stadtteile in 124 Gemeinden benannt. 39 von ihnen liegen im Osten, etwa Halle-Silberhöhe, Dresden-Prohlis, Jena-Lobeda, Fürstenwalde- Nord oder Stralsund-Grünhufe. Im Westen gehören Essen-Katernberg oder Hamburg-Lurup dazu.

Der Bund gibt pro Jahr in Millionen Mark.

? Baden-Württemberg

? Bayern

? Berlin

? Brandenburg

? Bremen

? Hamburg

? Hessen

? Mecklenburg-Vorpommern

? Niedersachsen

? Nordrhein-Westfalen

? Rheinland-Pfalz

? Saarland

? Sachsen

? Sachsen-Anhalt

? Schleswig-Holstein

? Thüringen 5,1

3Q

0,9

2,2

6,8

2,7

9 4

21,3 ringen Dichte samt guter Begrünung und Infrastruktur unproblematisch. Als einen »zentralen Schwerpunkt« seiner Arbeit bezeichnete Klimmt am Mittwoch das Projekt »Soziale Stadt«. Er begründete das mit dem Zille-Zitat: »Man kann einen Menschen auch mit seiner Wohnung er schlagen.« Um das zu verhindern, stelle die Bundesregierung neben den genannten 100 Millionen noch 600 Millionen Mark jährlich für die Städtebauförderung bereit. Davon fließen 520 Millionen Mark in die neuen Bundesländer. Außerdem bemühe sich die Regierung darum, möglichst viele der in den Haushalt der Europäischen Union eingezahlten Gelder für solche Fördermaßnahmen zurückzuer halten, so Klimmt.

Dass Programm »Soziale Stadt« sei im Grundgedanken zwar gut, von der Umsetzung her jedoch lächerlich, kritisiert Christine Ostrowski, die wohnungspolitische Sprecherin der PDS im Bundestag. Die jährlich bewilligte Fördersumme von 300 Millionen Mark dürfe nämlich nur zum Teil im selben Jahr ausgegeben wer den. Scheibchenweise werde der Rest auf die Jahre bis 2003 verteilt. Dadurch stehen zum Beispiel Sachsen am Beginn des Programms für sechs Problemgebiete nur etwa 1,3 Millionen Mark an Bundesmitteln zur Verfügung, so die PDS-Politikerin aus Dresden. Das sei ein »Fliegendreck« angesichts zusammenbrechender Wohnstrukturen in Städten wie Hoyerswerda, Bautzen und Görlitz. Die Lösung eines jetzt schon akuten Problems werde dadurch um fünf Jahre vertagt.

Fehlende soziale Aspekte bescheinigen die Bundesarbeitsgemeinschaften Wohnungslosenhilfe und Soziale Brennpunkte dem Bund-Länder-Programm. Mit ihm könne zwar der Bau eines Jugendzentrums finanziert werden, nicht jedoch der in ihm arbeitende Sozialarbeiter, erklärt Brennpunkte-Sprecher Reinhard Thies: »Wir wollen, dass in die Menschen investiert wird, nicht nur in Gebäude.«

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