Zur Mieterhöhung bis an den Oberwert

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Gilt nach dem neuen Mietrecht weiterhin die Orientierung, dass der Mittelwert eines Mietspiegelfeldes für die Miethöhe einer Durchschnittswohnung maßgeblich ist? Unter welchen Bedingungen darf ein Vermieter eine Miethöhe verlangen, die über den Mittelwert hinausgeht? Wie sollte sich ein Mieter verhalten, wenn er einschätzt, dass die geforderte Mieterhöhung überhaupt nicht oder nicht in der geforderten Höhe berechtigt ist?
Dies fragten uns zwei Berliner Familien, deren Miete bis auf den Oberwert des für ihre Wohnung zutreffenden Mietspiegelfeldes erhöht werden soll. Eindeutig ist, dass die Orientierung auf den Mittelwert auch weiterhin gilt. Darunter wird die Miethöhe einer Wohnung mit durchschnittlicher Qualität - auch Standardwohnung genannt - im betreffenden Mietspiegelfeld verstanden. Zu jeder Kategorie gehört eine Spanne vom niedrigsten bis zum Oberwert der Miethöhe bei vergleichbaren Wohnungen. Der Mittelwert davon entspricht dann der Standardwohnung. Wenn von Mietern die Erhöhung ihrer Grundmiete gefordert und dabei auf den Mietspiegel verwiesen wird, sollten sie sich gründlich mit allen Erläuterungen des Mietspiegels befassen, also nicht nur mit der Mietspiegeltabelle, die auf ihre Wohnung zutrifft. Erst dann kann man prüfen, ob der Erhöhungsbetrag berechtigt ist.
Der Berliner Mietspiegel enthält z. B., so wie viele andere auch, Einordnungshilfen, aus denen hervorgeht, was als wohnwerterhöhend oder als wohnwertmindernd zu beachten ist. Es gibt auch Sondermerkmale für gehobene Ausstattungen, die zu einem Mietzuschlag berechtigen, ggfs. sogar über den obersten Spannenwert hinaus. Fehlen solche Kriterien und Erläuterungen, ist die Orientierung schwieriger.
Wer sich nicht sicher ist, sollte sich mit kundigen Mietern oder mit Fachleuten (Mieterverein oder Fachanwalt) beraten.
Oft stellt sich dabei heraus, dass eine Mieterhöhung unbegründet oder überhöht ist. Die Berliner Mieter können zudem die Internet-Auskunft der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nutzen. Wer am Internet angeschlossen ist, kann eine schnelle Antwort zur möglichen ortsüblichen Miethöhe pro Quadratmeter Wohnfläche erhalten.
Eine Mieterhöhungserklärung ist formell wirksam, wenn Sperrfrist und Kappungsgrenze (siehe ND-Ratgeber Nr. 726 vom 11. Januar, Seite 3) eingehalten, die Wohnung richtig in das zutreffende Mietspiegelfeld eingeordnet ist, die Erhöhung pro Quadratmeter genannt und erklärt wird, dass die ortsübliche Miethöhe nicht überschritten wird. Dabei dürfen Vermieter bis an die Obergrenze gehen. Aber das besagt noch nicht, dass die Mieterhöhung begründet ist und dass ihr um jeden Preis zugestimmt werden muss.
Ergibt die genaue Prüfung, dass die ortsübliche Miete nicht so hoch ist, weil es sich um eine durchschnittliche Standardwohnung handelt, hat der Mieter zu entscheiden, ob er überhaupt nicht oder nur zum Teil zustimmt. Erscheint nur eine Teilzustimmung begründet, sollte man die Zustimmung darauf begrenzen. Es ist dann eher wahrscheinlich, dass der Vermieter von einer Zustimmungsklage absieht und sich mit der Teilzustimmung zufrieden gibt. Dennoch müssen Mieter, die nur teilweise zustimmen, mit einer Zustimmungsklage des Vermieters rechnen, wenn sie keine fundierten, überzeugenden Gründe gegen eine volle Zustimmung vorbringen können.
Doch Vermieter werden es sich überlegen, ob sie eine Klage einreichen, wenn Mieter klar nachweisen, dass für ihre Wohnung nur der Mittelwert für die Miethöhe in Frage kommt. Vor Gericht muss der Vermieter nämlich auch begründen, welche wohnwerterhöhenden Merkmale er geltend macht, die seine Mieterhöhungsforderung rechtfertigen können.
In der Rechtsprechung wird davon ausgegangen, dass eine Mieterhöhung über den Mittelwert hinaus nur dann gerechtfertigt ist, wenn nachgewiesen werden kann, dass die betreffende Wohnung eine höhere als die durchschnittliche Bewertung zulässt. So wurde die Klage eines Vermieters auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung auf den Oberwert vom Oberlandesgericht Dortmund zurückgewiesen, weil er das nicht begründen konnte. Werden Mieterhöhungserklärungen über den Mittelwert hinaus zutreffend mit Einordnungshilfen des Mietspiegels begründet, wird das für die Zustimmung ausreichend sein.

Dr. jur. HEINZ KUSCHEL
Beck-Verlag, 8. Ausg.: Kommentar von Schmidt-Futterer, Seite 1494, Randnr. 146; Urteil OLG Dortmund vom 2. Mai 2002, Az.11 S 38/02, veröff. in Zeitschrift für Miet- und Raumrecht, 2002, S. 918

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