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Auf der Grundlage des Schröder-Blair-Papiers

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Der Kieler FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki sieht ebenfalls «Schnittmengen» zwischen SPD und FDP «auf der Grundlage des Schröder Blair-Papiers», wie er präzisierte. Selbst FDP-Chef Wolfgang Gerhardt findet nun, dass «mehrere strategische Optionen gut für die FDP sind». Dank Möllemanns Erfolg würden «unsere Themen, unsere Ziele wieder stärker wahrgenommen». Er sehe aber derzeit keinen Anlass, Koalitionsaussagen zu machen. Der Themendruck der Zeit laufe auf die Lösungen zu, die die FDP offeriere... Zugleich geht die FDP damit auf Brautschau. Überraschend präsentierte Westerwelle am Dienstag den sozialpolitischen Leitantrag zum Bundesparteitag Mitte Juni. Wenig spektakulär, schreibt er nur seit Jahren vertretene Positionen fest. Er solle «Zerrbilder» über die FDP beseitigen, sagte Westerwelle. Wenn damit Koalitionsspekulationen verbunden würden, sei das ein ungewolltes, aber nicht unwillkommenes Nebenprodukt. Lauter kann die Nachtigall wohl nicht trapsen.

Friedrich Merz wagte sich etwas Unerhörtes: Er kritisierte die Moderatoren. Zwar vergewisserte er sich erst, dass Mikrofone und Kameras abgestellt waren: «Wir sind doch im Off? Wir sind draußen?» Aber dann brach der Frust aus dem CDU/CSU-Fraktionschef darüber heraus, dass er SPD-Generalsekretär Franz Müntefering nicht wegen des sozialdemokratischen Rentenkonzepts vorführen konnte. «Ich habe erfolglos versucht, die Renten zum Thema zu machen», klagte er. «Aber Sie», wandte er sich an die Moderatoren, «haben das Thema nicht zu Ende diskutieren lassen.» Und dann, schon fast erschrocken über soviel Kühnheit. «Sie kritisieren uns ja auch!» Dabei war der Vorwurf berechtigt, denn Manfred Bissinger von der «Woche» und der einstige ARD-Vormann Martin Schulze betrachteten das Forum «Nach der NRW-Wahl: endlich wieder Politik?» Dienstagabend in der Rotunde der Dresdener Bank am Pariser Platz wohl tatsächlich als jenes «Event», als das es der für das Publikum zuständige Regieassistent angekündigt hatte: Viel Fun, lockere Atmosphäre, und ja kein Frust.

Doch so berechtigt Merz Einwand war - natürlich wollte er das Rentenkonzept der SPD nicht zur Information des Publikums vorgetragen bekommen, sondern als Vor läge zur Entlarvung von deren «Rentenlüge». Ihm missfiel nicht so sehr die Methode der Moderatoren an sich als das von ihnen artikulierte Thema, die Verärgerung der Menschen über die Politik und ihr Fluchtreflex entweder weg von den Wahlurnen und hin ins Schwimmbad oder oder aber zum Spaßmacher Jürgen Möllemann. Dass das Erscheinungsbild von Politik solche Abkehr bewirkt, wollte eigentlich keiner eingestehen - auch Ker stin Müller von den Grünen und PDS- Fraktionschef Gregor Gysi hatten andere Erklärungen für ihre kläglichen Wahler gebnisse an Rhein und Ruhr.

Einzig Thomas Goppel aus München ließ überraschende Einsichten erkennen. Vor zehn Jahren habe sich die Welt dramatisch verändert. Die politischen Rivalitäten, über die sich alle definierten, lösten sich auf. «Wir sind auf der Suche nach neuer, tragfähiger Formulierung unserer Ziele.» Dem konnten alle zustimmen, und für einen Moment blitzte die Möglichkeit zu einer wirklich spannenden Debatte auf Müntefering sprach von 15 bis 20 Jahren, die man nach einer Revolution brauche, um seine Orientierung wieder zufinden. Merz philosophierte über ein kommendes Drei-Parteien-System. Aber als Gysi beifällig nickte und die PDS neben Union und SPD in diese Dreifaltigkeit einordnete, funktionierten sofort die alten Reflexe. Müller und der für die FDP antretende Wolfgang Gerhardt legten ausführ lieh dar, wie zeitgemäß gerade sie sind. Goppel rechnete die PDS mit Blick auf die NRW-Wahlbeteiligung auf ein halbes Prozent herunter, was wiederum Gysi zu wütendem Widerspruch zwang.

Der nun in Talkshow-Manier ablaufende Schlagabtausch brachte so wenig Neues, dass am Ende einer aus der Runde entnervt stöhnte: «Bekomme ich denn nun noch mein Bier?» Und damit das Startsignal gab für Teil 2 des «Events», einen Empfang im noblen Ambiente des Bank hauses.

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