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Erwerbslosigkeit: Mitunter kann es Arbeitslosengeld II auch rückwirkend geben
Anders als gedacht, reicht das ALG I bisweilen nicht zum Leben oder es besteht überhaupt kein Anspruch. Unter Umständen besteht aber dann ein (ergänzender) Anspruch auf das Arbeitslosengeld II (ALG II), die »neue Sozialhilfe für alle Erwerbsfähigen« - und zwar schon ab dem Beginn der Arbeitslosigkeit. Aber: Die Ämter zahlen das ALG II nicht rückwirkend für die Vergangenheit.
Wenn Sie kein Geld verschenken wollen, dann sollten Sie sich vorher gut informieren und lieber einen Antrag zu viel als zu wenig stellen. Auch wenn Sie versäumt haben, rechtzeitig ALG II zu beantragen, gibt es unter Umständen noch Wege, die Leistungen nachträglich zu erhalten. Diese Möglichkeiten sollten sie nicht ungenutzt lassen. Wann gibt es Probleme?
Einen Anspruch auf ALG II besteht erst ab dem Tag, an dem Sie diese Leistung beantragen. Ein Problem kann entstehen, wenn Sie am Beginn ihrer Arbeitslosigkeit kein ALG II beantragen, weil Sie mit einem ausreichend hohem ALG I rechnen und sich dann, wenn Sie den Bescheid bekommen - also Wochen später - herausstellt, dass
- Sie die Anspruchsvoraussetzungen auf ALG I nicht erfüllen, weil Sie die notwendige Vorbeschäftigungszeit von mindestens 12 Monaten innerhalb der letzten zwei Jahre nicht zusammen bekommen;
- Sie nur ein sehr niedriges ALG I bekommen von dem Sie und ihre Angehörigen (Partner/in, Kinder) nicht leben können, Ihnen also von Anfang an ergänzendes, aufstockendes ALG II zugestanden hätte oder
- Sie nur noch einen kurzen Restanspruch auf ALG I aus einer früheren Arbeitslosigkeit haben und dieser schon ausgelaufen ist, wenn Sie den Bescheid bekommen.
Tipp 1: Vorsorglich ALG II beantragen. Im Zweifelsfall sollten Sie neben dem ALG I auch direkt zu Beginn ihrer Arbeitslosigkeit ALG II beantragen. Dies gilt immer, wenn Sie nicht hundertprozentig sicher sein können, ob, wie viel und wie lange Sie ALG I bekommen. Um ihre Ansprüche zu wahren, müssen Sie nicht unbedingt das 16-seitige Antragsformular auf ALG II vollständig ausfüllen. Entscheidend ist die »fristwahrende« Antragstellung an sich. Die kann auch formlos erfolgen. Sagen Sie, dass Sie ALG I beantragt aber noch keinen Bescheid haben. Lassen Sie sich nicht abwimmeln und die Antragstellung schriftlich bestätigen.
Übrigens: Manchmal ist es günstiger, gleichzeitig mit dem ALG I Wohngeld und den Kinderzuschlag zu beantragen statt ALG II - u.a. um sich die strenge Bedürftigkeitsprüfung zu sparen. Das kann aber nur bei einer persönlichen Beratung im Einzelfall geklärt werden.
Tipp 2: ALG-II-Anspruch »nachträglich« durchsetzen. Ausnahmsweise können Sie ALG II auch für Zeiten vor der Antragstellung beanspruchen:
- Sie haben die »falsche« Leistung beantragt: Sie beantragen ALG I, obwohl Sie gar keinen Anspruch haben. Dann müssen Sie so gestellt werden als hätten Sie am Tag der Antragstellung auf ALG I schon ALG II beantragt.
- Die Arbeitsagentur hat Sie falsch, unvollständig oder gar nicht beraten: Bei ihrem Antrag auf ALG I hätte die Arbeitsagentur erkennen müssen, dass Sie eventuell einen (ergänzenden) Anspruch auf ALG II haben und es versäumt, Sie darüber zu informieren.
Im Regelfall werden Sie mit dem für ALG II zuständigen Amt um die Leistungen für die Vergangenheit streiten müssen. Scheuen Sie sich nicht, Widerspruch und Klage einzulegen. Lassen Sie sich beraten. In den genannten Fällen haben Sie einen Rechtsanspruch auf ALG II auch für die Vergangenheit.
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