- Politik
- Zum Tod des Film- und Fernsehregisseurs Alfred Weidenmann
Stets das, was opportun war
VonF-B. Habe
Wer wusste, dass Alfred Weidenmann seit 1936 in der Öffentlichkeit stand, staunte schon ein bisschen, dass der Name des Regisseurs auch in jüngster Zeit noch im Abspann neuer Fernsehfilme zu lesen war. Als er kurz nach seinem 84. Geburtstag - wie jetzt bekannt wurde - am 9 Juni an einer Blutvergiftung starb, steckte er in den Vorbereitungen zu einer neuen Folge der ZDF- Reihe »Der Alte«. Und als Regisseur dieser Reihe, wie auch vom »Kommissar« und »Derrick«, wird er Jüngeren vor allem bekannt sein. Dabei darf nicht vergessen werden, dass er von Anfang an für jüngeres Publikum gearbeitet hat. Nach abgebrochenem Kunststudium widmete sich Alfred Weidenmann der nationalsozialistischen Bildung der Jugend, »Trupp Plessen. Kameradschaft der Gräben und Spaten« (1937) oder »Kanonier Bracke Nr. 2« (1938) hießen derartige Bücher im Loewe- Verlag, dem er ein Leben lang treu blieb. Sein Roman »Jakko« über einen verwaisten Zirkusjungen, der zur Hitlerjugend findet, wurde 1941 verfilmt. Für die Reichsjugendführung der NSDAP leitete Weidenmann die HJ-Filmschau »Junges Europa«, und zusammen mit dem Drehbuchautor Herbert Reinecker - als Krimi- Übervater bis heute im ZDF vielbeschäftigt - entwickelte er den Luftwaffen-Film »Junge Adler« (1943), für den Regisseur Weidenmann nicht nur die Schüler der »Nationalpolitischen Erziehungsanstalten« (Napola) Hardy Krüger und Dietmar Schönherr, sondern auch den späteren DEFA-Star Harry Hindemith einsetzte. Als Dank für den Erfolg des als wichtigsten nationalsozialistischen Propagandafilm zum Thema Opfergeist der Jugend angesehenen Streifens wurde ihm 1944 die Regie eines der wenigen Durchhalte-Filme übertragen, die noch in Produktion gingen, als abzusehen war, dass der Krieg nicht zu gewinnen sein würde.
Nach sowjetischer Kriegsgefangenschaft arbeitete Weidenmann als Autor und Regisseur. Sein »Canaris« (1954), der erste bundesdeutsche Militärfilm im Generalstabsmilieu, zeigte den Widerstand von Nazi-Anhängern gegen Hitler und lieferte eine Art Rehabilitation von deutscher Kollektivschuld. Die Biografie des deutschen Jagdfliegers Marseille machte Weidenmann 1957 in »Der Stern von Afrika« zu einem verlogenen Heldenfilm nach dem Motto »Schön war s doch!«
Doch Alfred Weidenmann mied in der Folgezeit politische Themen. Er erwies sich als versierter Handwerker, in allen Sätteln gerecht, drehte Komödien, Melodrame. Seine Stars waren Romy Schneider, Lilly Palmer, Maria Schell. Er trivialisierte Thomas Manns »Buddenbrooks« (1959) und drehte mit »Maigret und sein größter Fall« (1967) einen der langweiligsten Heinz-Rühmann-Filme. Und doch wurde der Kriminalfilm, vor allem mit den arg schematischen, aber von guten Schauspielern klug verkauften Dialogen Herbert Reineckers zu seiner Spezialstrecke.
Alfred Weidenmanns Karriere ist ein Stück deutscher Mediengeschichte. War er Nazi? Vielleicht. Auf jeden Fall lieferte er streng das, was berechneten Erfolg haben sollte, was opportun war. Davon gibt es noch immer sehr, sehr viele.
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