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Neonazis mit König und Vereinslokal
Einschlägig bekannte Neonazis sollen die verbotene Organisation Combat 18 Deutschland illegal weitergeführt haben
Viel klarer geht es kaum. Durch den Teutoburger Wald wanderten die Neonazis, vom Hermannsdenkmal zu den Externsteinen, beides beliebte Kultstätten der extremen Rechten. Mit Gewichtswesten hatten es sich die Männer schwerer gemacht. Und zur Belohnung gab es am Ende eine liebevoll gebastelte Holztafel mit der Triskele, einem keltischen Symbol, das in diesen Kreisen gerne als Ersatz für das verbotene Hakenkreuz genutzt wird. Drumherum der Schriftzug »Cherusker Feldzug« und die Ziffern 318. Fast alle Beteiligten hatten der militant-rechtsextremen Organisation Combat 18 Deutschland angehört, die im Jahr 2020 wegen ihrer »Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus« und ihrer Gewaltbereitschaft verboten wurde. »318« stand bei ihr für »C18«, für Combat 18 also. Das Problem: Die Wanderung durch den Teutoburger Wald fand ein Jahr nach dem Verbot statt. Die Bundesanwaltschaft wertet diesen winterlichen »Leistungsmarsch« darum als eines von vielen Indizien, dass Combat 18 Deutschland illegal weitergeführt wurde. Jetzt begann vor dem Landgericht Dortmund der Prozess gegen die vier mutmaßlichen Rädelsführer.
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Wie vor dem Verbot soll Stanley R. aus Eisenach den Anführer gegeben haben. »Er wird aufgrund seiner hervorgehobenen Funktion von den Mitgliedern als ›König‹ bezeichnet«, heißt es in der Anklage. Im Keller seines Hauses habe der 49-Jährige ein »Vereinslokal« eingerichtet, mit einer Combat-18-Fahne über dem Tresen. Dass die Militanz bei Stanley R. & Co. mit bizarrer Piefigkeit einhergeht, hatte sich schon vor dem Verbot gezeigt, als die Recherchegruppe Exif die »Richtlinien« von Combat 18 Deutschland mit peniblen Regelungen zu Mitgliedsbeiträgen, Kleiderordnung und »Pflichttreffen« publik gemacht hatte.
Fast 20 Treffen der verbotenen Gruppe zwischen Oktober 2020 und März 2022 listet die Anklage auf, neben Wanderungen, Geburtstagsfeiern und Rechtsrockkonzerten auch eine Aufnahmeprüfung für Neumitglieder und Vernetzungen mit anderen Neonazi-Organisationen wie der Eisenacher Kampfsportgruppe Knockout 51, die von der Bundesanwaltschaft als terroristische Vereinigung verfolgt wird.
Combat 18 – die Ziffern stehen für die Initialen von Adolf Hitler – wurde in den 90er Jahren in Großbritannien gegründet, als bewaffneter Arm des Neonazi-Netzwerks Blood & Honour, und hat Ableger in zahlreichen Ländern. Vertreten wird ein aggressiver Rassismus und Antisemitismus, verbunden mit dem Aufruf zur Gründung kleiner, unabhängig agierender Terrorzellen gemäß der Strategie des »führerlosen Widerstands«. Obwohl Blood & Honour in Deutschland schon im Jahr 2000 verboten wurde, durfte Combat 18 hierzulande noch zwei Jahrzehnte weitermachen. Noch länger unbehelligt blieben die mutmaßlich als Ersatz für Blood & Honour gegründeten »Brothers of Honour«: Erst in dieser Woche gingen die Behörden bei Razzien in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gegen die rockerähnlich auftretende Organisation vor.
Die Männer, die nun in Dortmund vor Gericht stehen und zu den Anklagevorwürfen allesamt schweigen, haben es sämtlich zu einer gewissen Prominenz in der Szene gebracht. Der unter anderem wegen Schmuggels von Munition und Verstoßes gegen das Verbot von Blood & Honour vorbestrafte Stanley R. gehörte nach der Jahrtausendwende in Kassel zum Umfeld des späteren Mörders von Walter Lübcke. Keven L. (44) aus Eisenach, laut Anklage seine »rechte Hand«, kandidierte in Karlsruhe für die mittlerweile aufgelöste Kleinstpartei »Die Rechte«. Der Rechtsrockhändler Gregor Alexander M. (45) aus Rheinland-Pfalz saß wegen einer brutalen Racheaktion gegen einen angeblichen »Verräter« hinter Gittern. Und Robin S., aus Dortmund stammend, aber mittlerweile in Baden-Württemberg gemeldet, ist ein rechtsextremer Hyperaktivist, unterwegs auf Demos und Konzerten genauso wie als brauner Tiktoker. Acht Jahre saß er im Gefängnis, weil er bei einem Raubüberfall einen migrantischen Mann angeschossen hatte. Bekannt wurde er aber vor allem durch den innigen Briefwechsel, den er mit der NSU-Terroristin Beate Zschäpe führte.
Die Szene-Anwältinnen, die die Männer engagiert haben, halten das mit dem Code »318« übrigens nicht für so eindeutig. Er könnte doch für »Cherusker am Hermann« stehen, schlägt einer vor. Und eine andere meint, dass auch das Datum – es war der 3. Januar 2021 – und die Zahl der Teilnehmerinnen gemeint sein könnten. Es waren aber ausweislich sichergestellter Fotos bloß sieben. Für den Prozess sind noch elf Verhandlungstage bis September angesetzt.
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