Wie weiter nach dem Streik

Eltern fordern Kitagebühren zurück / EnBW klagt gegen ver.di

  • Barbara Martin
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch in Baden-Württemberg geht der Streik unvermindert weiter, und der gesellschaftliche Druck nimmt zu.
»Die Streikbereitschaft ist ungebrochen«, versichert Baden-Württembergs ver.di-Chefin Sybille Stamm. »Allerdings fragen unsere Leute verstärkt, wie es weitergeht. Sie wollen endlich ein akzeptables Ergebnis für ihre Bemühungen sehen.« Rund 11 000 Streikende zählte die Gewerkschaft gestern im gesamten Land. Betroffen sind Krankenhäuser, Kitas, Gemeindeverwaltungen und Müllabfuhren. Unfreiwillig hat die Stadt Stuttgart dazu beigetragen, dass bei den Streikenden Wut und Entschlossenheit gewachsen sind. Die Stadt lässt seit vergangenem Wochenende die Müllberge von privaten Entsorgern einsammeln. Als die »Privaten« versuchten, den Abfall in der Müllverbrennungsanlage in Münster bei Stuttgart abzuliefern, blockierten mit Trillerpfeifen ausgerüstete Müllmänner das Tor. Der Müll wird nun auf Deponien zwischengelagert und das Tor der Müllverbrennung, die dem Energieversorger EnBW gehört, seitdem von Streikenden bewacht. Die aufgebrachten Arbeiter kontrollieren die Lastwagen, städtischer Müll wird nicht durchgelassen. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ver.di-Funktionäre wegen Nötigung. Die Stadt hat EnBW aufgefordert, zivilrechtlich gegen die Blockade vorzugehen. Technikbürgermeister Dirk Thürnau beruft sich auf den Vertrag mit EnBW. Der Energieversorger hat sich dazu bislang nicht geäußert. »Provinzposse« nennt ver.di das Vorgehen und beruft sich auf das Versammlungsrecht. Es wäre besser, die Arbeitgeber kämen mit einem verhandlungsfähigen Angebot an den Verhandlungstisch zurück, sagt Sybille Stamm und meint damit nicht das bisherige Angebot von 39,7 Stunden. Für den gestrigen Nachmittag bot die Gewerkschaft den Arbeitgebern Sondierungsgespräche an. »Keine Verhandlungen«, betont Sybille Stamm. »Es geht darum, auszuloten, wohin die Arbeitgeber sich bewegen.« Sie hat den Eindruck, die Gegenseite spiele auf Zeit. Je länger der Arbeitskampf dauere, desto größer würden aber auch die Erwartungen der Streikenden. Stamm hält den Hamburger Abschluss mit differenzierten Arbeitszeitmodellen für eine ernst zu nehmende Variante, über die man reden könne: »Das haben wir den Arbeitgebern auch gesagt.« Unterdessen schwindet in der fünften Streikwoche langsam das Verständnis der Bürger. Der Stuttgarter Gesamtelternbeirat hat die Stadt aufgefordert, die Kindergartengebühren für alle vom Streik betroffenen Eltern zurückzuzahlen. Beiratsvorsitzende Anna Kedziora: »Viele Eltern zehren ihren Jahresurlaub auf, denn die Ressourcen bei Großeltern, Tanten und Onkeln sind erschöpft.« In dieser Woche hat ver.di sämtliche 180 städtischen Kindergärten zu drei Tagen Arbeitsniederlegung aufgerufen. »Die Eltern sind bedrückt und entsetzt, dass der Konflikt auf dem Rücken ihrer Kinder ausgetragen wird«, so Kedziora. Sybille Stamm setzt nun verstärkt auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg und auf die IG Metall. Die Partnergewerkschaft verhandelt derzeit - flankiert von Warnstreikwellen - über die Steinkühlerpause. Den Tarifvertrag hatten die Metallarbeitgeber gekündigt. Stamm: »Zwei Gewerkschaften, die im Land insgesamt zwei Millionen Beschäftigte vertreten, wehren sich gegen Arbeitszeitverlängerung und wachsende Arbeitsbelastung. Das muss der Politik doch zu denken geben.«
#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal