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  • Politik
  • ? Die DDR und Italien - ein Standardwerk

Kritische Sympathie

  • Hans Voß
  • Lesedauer: 4 Min.

Publikationen über die deutsch-deutschen Beziehungen gibt es in großer Zahl. Über das Verhältnis der DDR zu anderen westeuropäischen Staaten hingegen liegen nur wenige Untersuchungen vor. Es fällt daher umso mehr ins Gewicht, wenn jetzt ein Buch erschienen ist, das die Beziehungen Italiens und der DDR von 1949 bis 1980 zum Gegenstand hat. Das umfangreiche Werk, auf einer Dissertation basierend, hat alle Voraussetzungen, zur Standardpublikation auf diesem Gebiet zu werden. Sein großer Vorteil ist, dass ihm Quellen der italienischen und bundesdeutschen Seite sowie der DDR zu Grunde liegen.

Der von Charis Pöthig beleuchtete Zeitraum bietet die Möglichkeit, das Verhältnis Italiens zur DDR in den verschiedenen Etappen der europäischen Nachkriegsgeschichte zu untersuchen. Dabei wird im Buch immer wieder deutlich.dass die italienische Politik gegenüber der DDR lange Zeit zweigeteilt war. Die Regierungen - einerseits - hielten sich stets bündnistreu an die Vorgaben der USA und folgten den Er Wartungen der in Bonn regierenden Christdemokraten. Andererseits vertraten die Linken, die IKP und die Sozialisten, die gemeinsam über ein beachtliches Wählerpotenzial verfügten, den Standpunkt, dass die DDR als historische Alternative zum Faschismus und der ihn tragenden Kräfte aufzufassen sei und alle Unterstützung verdiene. Sie setzten sich an die Spitze einer Anerkennungsbewegung, die sich zu einem Faktor der italienischen Innenpolitik entwickelte. An dieser DDR- freundlichen Haltung hielten die italienischen Kommunisten auch fest, als sie im Hinblick auf erkennbare gesellschaftliche Defizite in der DDR wachsende Zweifel zu hegen und zu artikulieren begannen.

Es entspricht der Bedeutung der Linkskräfte in Italien, dass die Autorin der Zusammenarbeit von IKP und SED besondere Aufmerksamkeit widmet. Dabei fehlen auch die Bemühungen der IKP-Führung nicht, ihre Kontakte zur SPD dazu zu nutzen, um die SED von ihrer anfänglich feindseligen Einstellung gegenüber der Ostpolitik Willy Brandts abzubringen.

Hinsichtlich der Einordnung Italiens in die Außenpolitik der DDR konstatiert die Autorin Schwankungen. Mal wurde Italien als Schwerpunktland behandelt, mal rangierte es unter ferner liefen. Doch unabhängig von derartigen Schwankungen verschaffte sich die DDR mit Hilfe ihrer lokalen Verbündeten einen bestimmten Einfluss. Parteien und Gewerkschaften, andere gesellschaftliche Kräfte, wie Ver bände der antifaschistischen Wider

Standskämpfer, Parlamentarier und nicht zuletzt Künstler traten in einen Austausch. Hingegen kümmerten regierungsoffizielle Kontakte dahin. Die italienische Regierung hielt sich bis Anfang der siebziger Jahre strikt an die restriktiven Auflagen der NATO. Erst im Januar 1973 nahm Italien diplomatische Beziehungen zur DDR auf. Selbst eine beträchtlich angewachsene überparteiliche Bewegung für die sofortige Anerkennung der DDR beschleunigte die Entscheidung nicht.

Ein besonderes Kapitel im Buch ist den Folgen der Aufnahme diplomatischer Beziehungen gewidmet. Auch in ihm wird deutlich, dass die italienische Seite sich mit spektakulären Schritten zurückhielt. Zwar wurde ein dichtes Netz von Verträgen abgeschlossen. Es kam beiden Seiten zu Gute. Doch Treffen auf höchster Ebene waren rar und konnten insgesamt die Gemeinsamkeiten nicht spürbar vertiefen. Die Autorin zieht daraus den Schluss, dass die DDR aus Sicht der italienischen Führungskräfte ein Partner von geringem Gewicht blieb.

Als historische Tatsache sei jedoch hinzugefügt, dass sich die italienische Seite bis 1990 darum bemühte, die deutsche Zweistaatlichkeit zu bewahren. Noch in der Periode des Wandels 1989/1990 unternahm sie Versuche, den Prozess der deutschen Vereinigung aufzuhalten. Der zweite deutsche Staat wurde als Gegengewicht gegen eine übermächtig erscheinende Bundesrepublik gebraucht. Man setzte sich für seinen Fortbestand ein, solange es dafür Chancen zu geben schien, und fügte sich dann ins Unvermeidliche.

Ein «Paneuropäisches Picknick» am 19 August 1989 führte zum ersten «Loch» im Eisernen Vorhang. Der spontanen Flucht von etwa 800 DDR-Bürgern folgte am 11. September die offizielle Öffnung der ungarischen Grenze und am 9 November der Mauerfall in Berlin. Daran erinnert ein von Gyula Kurucz herausgegebener Band: «Das Tor zur deutschen Einheit» (Edition q, 268 S., 38 DM).

Nachdem Dieter Schiller in der Reihe «hefte zur ddr-geschichte» des Berliner Vereins «Helle Panke» bereits über die SED-Kulturkonferenz von 1957 («Disziplinierung der Intelligenz») geschrieben hat, setzt er sich nun mit den «Kulturdebatten in der DDR nach dem XX. Par teitag der KPdSU» auseinander. Hartmut Mummert widmet sich in dieser Schriftenreihe der «Arbeiter-und-Bauern-Inspektion in der DDR»; zu beziehen über den Verein, Tel./Fax: 030/47538724).

Der zweite Band der neuen Reihe des GNN-Verlags «Geschichte und Gesellschaft» befasst sich mit historischen und aktuellen Fragen zu Krieg und Frieden: «Sozialistische Bewegung gegen Militarismus und Krieg» (180 S., 18 DM).

Charis Pöthig: Italien und die DDR - die politischen, ökonomischen und kulturellen Beziehungen von 1949 bis 1980. Peter Lang Verlag, Frankfurt (am Main) 2000. 472S.,br., 118 DM.

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