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  • Politik
  • Briefe eines Jahrhunderts zum Hören und als Buch

Geschichte im Privaten

  • Almut Schröter
  • Lesedauer: 3 Min.

Der einsame Gustav Mahler wirbt rührend um seine künftige Frau Alma, offeriert seine Liebe wie seine Finanzen. Von Wilhelm Busch ist zu hören, von Rosa Luxemburg. Anrührende Worte kommen von der ersten der drei CDs des Hörbuchs »Briefe eines Jahrhunderts«. Sie stammen aus der Zeit zwischen 1902 und 1914. Bekannte wie Unbekannte geben da Nachricht. Im Vergleich zur Korrespondenz aus den Jahren 1933 bis 1949 und 1952 bis 1992 in dieser Sammlung aus dem HörZeichen Verlag bergen alle diese frühen Briefe mehr Ruhe. Es gibt auch Streitlust, aber kaum Resignation. Die schwersten Zeiten sollten erst folgen.

Entstanden sind die Aufnahmen in einer Sendereihe des MDR Kultur »Meine liebe ...! Sehr verehrter...!« Jeden Tag des Jahres 1999 las ein Schauspieler im Rundfunk einen Brief aus dem Jahrhundert. Eine wunderbare Idee, der das gleichnamige Buch aus dem Rhino Verlag folgte, in dem alle diese Briefe nach Tagen geordnet zu finden sind. Während man den Lesungen nun lauscht, stellt man sich vor, wie ein Mensch um die richtigen Worte für einen anderen ringt, um ihn für sich einzunehmen. Auch wie er sich müht, seine Sorge um einen anderen anzubringen, ohne ihn beunruhigen zu wollen.

Ausgewählt wurden die Briefe in einer kaum zu beschreibenden Mühe von Bar bara und Peter Gugisch. Die drei CDs, im übrigen außerordentlich preiswert, sind nun eine Auslese der Auslese. Die Briefe wurden in Jahre eingeteilt, ihre Zahl sank von 365 auf 60. Die Briefesammler haben im Vorwort geschildert, dass es bei der Zusammenstellung des Buches manchen Streit um die Auswahl gab. Dann fürs Hörbuch sicher wieder. Allerdings entsteht bei den Jahren 1952 bis 1992 ein etwas angepasster Eindruck, als hätten sich die Autoren zu bestimmten Briefen genötigt gefühlt. So ist das Hörbuch etwas schwerer verdaulich als das Buch. Im Gegensatz zum Buch muss sich beim Hör buch für einen DDR-Fremden ein eigenartiges Bild aufbauen. Mal abgesehen davon, dass 40 Jahre eben nicht mehr als 40 Jahre in einem Jahrhundert sind, wird bei dieser Auswahl kaum jemanden in den Sinn kommen, das im Sozialismus je ein Mensch gelacht oder geliebt haben könnte.

Ein Ausgleich dafür - möglicherweise auch eine Beruhigung für den Briefesammler Gugisch - ist der letzte Brief des Hörbuehs. Klaus-Peter Hertzsch schrieb ihn an Friedrich Schorlemmer im April 1992 und setzt sich mit einer Äußerung Schorlemmers auseinander, in der es um die Pflicht des »Bescheidwissens« über kritikwürdige Zustände geht. Wie Schor lemmers ehemaliger Lehrer da seinen früheren Schüler herausfordert, ist bewegend.

Schön, dass man das jetzt alles nachlesen und einiges anhören kann, ohne das Gefühl zu bekommen, seine Nase in anderer Leute Post gesteckt zu haben. Dass sich diese Unbefangenheit vermitteln konnte, ist ein Verdienst.

Barbara und Peter Gugisch: Meine liebe....› Sehr verehrter...!; HörZeichen Verlag. 3 CDs, ca. 224 Minuten, 39 90DM, gleichnamiges Buch mit 36a Briefen eines Jahr hunderts. Rhino Verlag, \rnstadt. 751 Seiten, gebunden, 49,80 DM.

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