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  • Politik
  • Leonard Bernstein zum Gedenken

Weltbürger

  • Günter Meisinger
  • Lesedauer: 2 Min.

Viele Musikfreunde hielten ihn für den weitbesten Dirigenten: Leonard Bernstein. Vor zehn Jahren, am 18. Oktober 1990, ist er 72-jährig gestorben. 1961 hatte er für die amerikanische CBS als erster Dirigent weltweit die Sinfonien von Gustav Mahler komplett eingespielt. 1967 zeigte er in einem langen, sensationellen Aufsatz über Mahler tiefstes Verständnis für dessen Musik, nicht zuletzt deshalb wohl kam der bis dahin kaum gespielte Meister plötzlich in Mode. Als Komponist erlangte Bernstein vor allem mit dem Musical «Westside Story» Weltruhm. Da verarbeitete er die konfliktgeladene Situation von Latinos und Farbigen in den USA. Sein persönlicher Konflikt, der ihn in den Fünfzigern zu einer Scheinehe zwang, artikuliert sich in Inter views der 70er Jahre folgendermaßen: «Die Welt hält mich für einen roten, jüdischen Schwulen. Das bin ich auch.» Bernstein, ein Weltbürger, bekannte sich freimütig nicht nur zu seiner Homosexualität. In den 60er Jahren sympathisierte er mit den «Black Panthers» sowie mit trotzkistischem Gedankengut - das konnte noch keinem Dirigenten nachgesagt wer den. In seinem Mahler-Aufsatz heißt es: «Erst nach 50, 60, 70 Jahren mit weltweiten Infernos und unserer Unfähigkeit, mit dem Kriegführen Schluss zu machen (....)- erst nachdem wir all dies erlebt haben vor dem Hintergrund von Auschwitz, der bombardierten Dschungelgebiete Vietnams, des Ungarn-Aufstandes, der Suez-Krise, der Invasion der Schweinebuch (...), der Mordtat von Dallas, der Ar roganz Südafrikas, (...) der antitrotzkistischen Säuberungen von Black Power, (...) der Pest des McCarthy-Unwesens (...), erst nach alledem können wir Mahlers Musik endlich und wirklich zuhören und begreifen, dass sie all das vorausgesagt hat.»

Im November 1989 ein Jahr vor seinem Tod, dirigierte er in Ostberlin zum Fall der Mauer Beethovens «Neunte» mit der abgewandelten Zeile: «Freiheit, schöner Götterfunken», was er gewiss nicht antikommunistisch gewendet meinte. Als er an einem Lungenleiden gestorben war, ging das Gerücht, es sei Aids gewesen. Er selbst hatte sich schon jahrelang für Aids- Kranke mit Benefizkonzerten engagiert. «Seine» New Yorker Philharmoniker ver abschiedeten sich von ihm mit einem Satz aus Mahlers 3. Sinfonie: «Was mir die liebe erzählt»

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