Führungswechsel über Nacht

Gründer und Vorstände des Post-Konkurrenten PIN AG plötzlich abgesetzt

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 2 Min.
Beim größten Post-Konkurrenten riecht es nach Putsch. Völlig überraschend traten die beiden Gründer und bisherigen Chefs des Briefzustellers zurück. Die Gewerkschaft ver.di ist darüber nicht traurig.
Zumindest Berliner haben sich inzwischen an die grün-blaue Post gewöhnt. Seit einigen Jahren hat sich der billige Konkurrent der gelben Post in der Hauptstadt etabliert - ausgerechnet in der Briefzustellung, dem früheren Kerngeschäft des internationalen Logistik-Riesen. Nicht zuletzt dank der Entscheidung des Berliner Senats, die PIN AG mit der Zustellung der Behördenpost zu betrauen, konnte der kleine Post-Konkurrent in der Hauptstadt Fuß fassen und expandieren. Heute betreibt das Unternehmen bundesweit vier Zustellgebiete: Neben der Hauptstadt ist PIN in Leipzig, Frankfurt (Main) und Köln. Berlin ist mit etwa 800 Beschäftigten wichtigster Standort. 2005 machte PIN einen Umsatz von 50 Millionen Euro und erzielte ein ausgeglichenes Ergebnis. Bundesweit stellt PIN 600 000 Sendungen am Tag zu; für das laufende Jahr ist eine Verdoppelung des Umsatzes geplant. Auch gestern fuhren die blau-grünen Zusteller wie gewohnt ihre Runden ab. Hinter den Kulissen am Firmensitz ging es derweil drunter und drüber. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag wechselte überraschend die Unternehmensleitung. Der Aufsichtsrat des Unternehmens, an dem unter anderem der Axel-Springer-Verlag und seine Konkurrenten Holtzbrink und WAZ-Gruppe beteiligt sind, hat am Mittwoch überraschend und »mit sofortiger Wirkung« den ehemaligen Post-Manager Axel Stirl an die Unternehmensspitze berufen. Die bisherigen Vorstände, Bernhard Klapproth und Martina Roitzsch, die das Unternehmen 1999 gegründet hatten, hätten ihre Ämter niedergelegt, hieß es ohne weitere Begründung. Klapproth und Roitzsch sollen aber von »Differenzen« gesprochen haben. Auch Benedikt Frank, bei ver.di für die PIN AG zuständiger Gewerkschaftssekretär, weiß nichts Genaues über die Hintergründe. Auch nach einer Mitarbeiterversammlung am Donnerstagabend sei das nicht deutlich geworden. Frank will den Wechsel an der Unternehmensspitze jedoch »auf keinen Fall negativ kommentieren«. Mit der alten Unternehmensleitung hatte die Gewerkschaft nur wenig Freude. Die PIN AG hat bis heute keinen Tarifvertrag für ihre Mitarbeiter abgeschlossen. Außerdem sei über ein Drittel der Belegschaft nur befristet beschäftigt, so Frank. 350 der 800 Mitarbeiter in Berlin seien Leiharbeiter; auch Subunternehmer-Beschäftigungsmodelle gebe es bei der blau-grünen Post. Als Resultat dieser Personalpolitik, so Frank, liege »das gezahlte Entgelt bei der PIN AG oft an der Armutsgrenze«.

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