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Folgenschwere Bahn-Telefonie

Stellenabbau nach Ausgliederung der DB Kom Verkehr Von Erich Preuß

  • Lesedauer: 3 Min.

Das bahneigene Kommunikationsnetz verkauft zu haben, erweist sich nun als grober Fehler. Seit 1912 in Karlsruhe die erste Selbstanschlussanlage in Betrieb ging, waren die Eisenbahner stolz auf ihr Fernsprechnetz, das zeitweise moderner als das der Reichspost bzw. der Bundespost war. 1935 hatte die Deutsche Reichsbahn keinen größeren Ver kehrsknotenpunkt, der nicht eine Bahnselbstanschlussanlage (kurz Basa genannt) besaß. Die Handvermittlungen waren erst nach dem Kriege wieder notwendig, doch die Bundesbahn baute sehr schnell, die Reichsbahn etwas verzögert ihr Basa-Netz wieder auf. Zum Telefonnetz kamen der Fernschreibdienst, ein besonderes Fernsprechnetz für den elektrischen Zugbetrieb, der Rangierfunk und der Zugfunk hinzu. Im Zeitalter des Handys wird der Mobilfunk künftig verstärkt zur Zuglenkung und für das Reisendeninformationssystem genutzt.

Der Ausbau des Fernsprechnetzes kostet ständig Geld. Der damalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn, Heinz Dürr, meinte 1995, am besten sei es, das Basa-Netz als Tochtergesellschaft auszugliedern. Dabei hatte die Bahn zuvor 350 Millionen Mark in das Netz gesteckt, um es auf digitale ISDN- Technik, Richtfunkstrecken und Lichtwellenleiterkabel umzustellen. Unter vier Bewerbern entschied sich die Deutsche Bahn, mit Communications Network International (CNI) zu fusionieren. CNI gehörte mehrheitlich einem Konsortium aus Mannesmann, Deutscher Bank, AT & T, Unisource und Air Touch. Für 49,8 Prozent der Anteile an DB-Kom zahlte das Konsortium 1,1 Milliarden Mark. Dieser Betrag kaschierte den mageren Gewinn des »operativen Geschäfts« der Bahn.

Die operative Führung im einstigen Basa-Netz erhielt der Mannesmann-Konzern, der 1998 durch Kauf der Bahnanteile seinen Anteil auf 74,9 Prozent er höhte. Wieder klingelte Geld in der Konzernkasse, und Bahnchef Dürr wurde mit dem Vorsitz im Aufsichtsrat der Festnetzsparte Arcor belohnt. Dafür bevorzugten die Eisenbahner das D-2-Netz, und bei der Deutschen Bahn wurde der Personalbestand um 6500 Fachleute der Nachrichtentechnik vermindert. Ein toller Erfolg!

Im März 2000 wollte Arcor über 300 ehemalige Eisenbahner zurückschicken, um Externe einstellen zu können. Noch mehr frustrieren die Überweisungen, die für die Benutzung des Arcor-Netzes fällig sind. Die neue Firma kassiert bei der Bahn dreifach: für Telefongespräche im Festnetz, im Handy-Netz der Lokführer, Zugbegleiter und anderen Mitarbeiter sowie im Rangier und Zugfunknetz - 800 Millionen Mark pro Jahr bei einem Gesamtumsatz von 3 Milliarden Mark. Dabei wird es nicht bleiben, wenn die Bahn das spezielle Mobilfunknetz GSM-R benutzt, um Züge zu steuern, auf unbesetzten Bahnhöfen den Reisenden Verspätungen bekannt zu geben oder den Standort der Güterwagen zu ermitteln.

Was kann der Bahnvorstand tun? Die Bahn ist an Arcor (Wert: etwa 10 Milliar den Euro), das seit Anfang 2000 dem britischen Konzern Vodafone gehört, mit 18,8 Prozent beteiligt. Vodafone möchte Arcor in eine reine Aktiengesellschaft umwandeln und 25 Prozent des Arcor Kapitals an die Börse bringen. Bei der jetzigen Rechtsform - AG & Co - hat die Deutsche Bahn größeren Einfluss als bei einer reinen Aktiengesellschaft. Man hat sich bereits geeinigt, dass die Bahn ihren Kapitalanteil auf fünf Prozent senkt.

Dies alles sollte unlängst während einer Aufsichtsratssitzung von Mannesmann/ Arcor schriftlich vereinbart werden, doch der Bahn-Vertreter blieb der Sitzung fern, so dass der Börsengang aufgeschoben werden musste. Die Deutsche Bahn ließ inzwischen verkünden, sie sei »grundsätzlich« bereit, am Börsengang von Ar cor mitzuwirken. Allerdings will Bahnchef Hartmut Mehdorn das Fernsprechnetz nicht ganz aus der Hand geben, da von diesem die spezifischen Sicherheitsbelange der Bahn abhängen. Oder ist es nur Taktik, nicht mit Erlösen vorzupreschen, da Mehdorn erst kürzlich den katastrophalen Zustand des Streckennetzes an die Wand malte, um der Bundesregierung Fördermittel zu entlocken?

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