Warum ich auf den Fummel-Test verzichtete

Von merkwürdigem Gebäck, süffigen Weinen und berühmtem Porzellan - ein Besuch in Meißen

  • Heidi Diehl
  • Lesedauer: 5 Min.
Kein Mensch wird ernsthaft verlangen, dass man sich bei einer Tour entlang der Sächsischen Weinstraße in Abstinenz übt. Sie führt von Diesbar-Seußlitz über Meißen, Radebeul, Dresden bis nach Pirna 55 Kilometer durch das kleinste deutsche Weinanbaugebiet und lädt zur Einkehr in mehr als 25 Weinbaubetrieben ein. Irgendwann erfährt man in so einer feuchtfröhlichen Runde garantiert etwas vom Fummel-Test, aber ihn selber machen - nein Danke!
Denn er ist der wohl älteste Alkoholtest der Welt, der der Legende nach 1710 in Meißen vom Kurfürsten von Sachsen erfunden wurde. Weil die Post aus Meißen oft ziemlich lädiert in Dresden ankam, soll der Kurfürst vermutet haben, dass die Postreiter unterwegs zu viel vom begehrten Meißner Wein getrunken hatten und auf dem Weg nach Dresden im Rausch samt ihrer Posttasche vom Pferde fielen. Nachweisen aber konnte man das den Kurieren nicht, und so habe der Kurfürst zu einer List gegriffen. Er soll die Meißener Bäcker beauftragt haben, ein Gebäck zu erfinden, so zart, dass es bei den geringsten Erschütterungen zerbricht. Dies erhielten die Postreiter in Meißen und mussten es dem Kurfürst in Dresden unversehrt zeigen. Die wenigsten schafften das, denn der Wein war eben doch zu verführerisch. Mit dem »Meißner Fummel« wurden sie der Trunksucht überführt.
Noch heute wird das Gebäck aus 90 Prozent Luft und einer hauchdünnen Schicht Teig in der Meißner Konditorei Zieger gebacken. Ein beliebtes Souvenir, das dem Glück verspricht, der den Fummel heil nach Hause bringt.

Weinselige Verlockungen
Ich begnüge mich mit einem Foto, weil ich das Unglück nicht herausfordern will. Schließlich befinde ich mich auf der Sächsischen Weinstraße mit ihren vielen süffigen Verlockungen. Die Auswahl von Weinrestaurants entlang des Weges ist groß. Wer sicher gehen will, fachkundig zum hiesigen Wein und den Sehenswürdigkeiten rechts und links der Straße beraten zu werden, sollte eines der Häuser wählen, an deren Tür eine Holztafel mit einer geschnitzten Weintraube und dem Schriftzug »Besonders empfohlen an der Sächsischen Weinstraße« für sich wirbt. Diese vom Tourismusverband »Sächsisches Elbland« vergebene Auszeichnung tragen derzeit 22 Hotels und Gaststätten.
Wie die Meißener »Weinterrassen« direkt an der Elbe, wo mir Betreiber Bernd Kämpfe einen Goldriesling einschenkt, eine absolute Rarität, die man deutschlandweit nur noch im Sächsischen Elbland finden kann. Auf 13 der insgesamt 450 Hektar Weinanbaufläche im Elbland wächst die aus dem Elsass stammende Traube. 1000 Stöcke gehören Bernd Kämpfe, der den kleinsten der insgesamt 28 Weinbaubetriebe bewirtschaftet. Neben Goldriesling besitzt er weitere 1000 Rebstöcke, an denen Riesling, Müller-Thurgau und Grüner Veltliner reifen. Regelmäßig führt er mit Gästen Weinbergswanderungen durch, dabei erfährt man überaus kurzweilig vieles über die mehr als 400 Jahre alte Geschichte des Terrassenweinbaus in der Region.
Einen ganzen Vormittag sitze ich mit Bernd Kämpfe beim Rebensaft auf der Terrasse und erfahre, wie aus einem passionierten Biertrinker ein begeisterter Winzer wurde. Als ich gehe, habe ich zwar viel über den hiesigen Wein erfahren, einen »Meißner Fummel« jedoch möchte ich auf dem Heimweg nicht bei mir tragen.

Vom Kaolin zum Porzellan
Ein Spaziergang durch die Altstadt hinauf auf den Burgberg, von wo man einen wundervollen Blick über das 1000-jährige Meißen mit der 1471 bis 1524 erbauten Albrechtsburg hat, ist nicht nur schweißtreibend, sondern macht auch den Kopf wieder klar. In der Albrechtsburg übrigens wurde, nachdem Johann Friedrich Böttger 1709 erstmals die Herstellung von Porzellan gelang, 1710 die Porzellanmanufaktur eingerichtet, die bis heute Weltruf besitzt. Erst 1864 entstand ein paar Kilometer entfernt die heutige Betriebsstätte. 1916 eröffnete das Porzellanmuseum. Da es mit der Zeit aus allen Nähten platzte, wurde erneut gebaut. Das im Juni 2005 erweiterte Museum erlaubt es nun, jährlich einer halben Million Besucher Einblicke in Geschichte und Gegenwart des Meissener Porzellans zu geben. Von der insgesamt 20 000 verschiedene Porzellane umfassenden Sammlung aus drei Jahrhunderten sind 3000 Exponate in der Schauhalle zu sehen. Jedes Jahr werden Teile ausgetauscht.
In einer Schauwerkstatt kann man live miterleben, wie sich das Gemisch von Kaolin, Quarz und Feldspat in edles Porzellan verwandelt. Staunend schauen die Besucher zu, wie Frauen mit sicherer Hand das Dekor auftragen, wie sie aus unzähligen Einzelteilen Kunstwerke zusammensetzen, und man bekommt eine Ahnung davon, warum das Porzellan so wertvoll und nicht gerade preiswert ist.
Um so mehr genieße ich später eine Tasse Schokolade, serviert im edlen Meissener. Denn: Seit der Eröffnung des Neubaus kann man hier auch stilvoll genießen. Im »Café Meissen« ist an jedem dritten Sonntag im Monat in einer unterhaltsamen Stunde Amüsantes, Interessantes und Wissenswertes über »Tee, Kaffee, Schokolade - die drei heißen Lustgetränke« zu erfahren. Und im »Restaurant Meissen« erhält man jeden zweiten Freitag im Monat bei einem Drei-Gang-Menü auf verschiedenen Meissener Porzellan-Servicen serviert, einen genussvollen Einblick in die Tisch- und Tafelkultur der Vergangenheit und Gegenwart. Für beide Veranstaltungen sollte man sich auf jeden Fall anmelden.
Selbstverständlich gibt es in der Manufaktur auch einen Laden, in dem man die Qual der Wahl hat, sofern das Budget es hergibt. Wie zu erfahren war, sind die Deutschen aber eher zurückhaltend beim Kauf. Besonders begehrt ist Meissener Porzellan in Japan.


Tourismusverband »Sächsisches Elbland« e.V., Fabrikstraße 16, 01662 Meißen, Tel.: (03521) 76 35-0, Fax -40,
E-Mail: info@elbland.de, www.elbland.de
Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen GmbH, Talstr. 9, 01662 Meißen, Tel.: (03521) 20 87 00, Fax (03521) 46 88 04,
E-Mail: besucherbuero@meissen.com, www.meissen.com
Weinterrassen Kämpfe, Elbtalstr. 28, 01662 Meißen,
Tel.: (03521) 73 84 61, Fax: (03521) 71 05 81, E-Mail: Weinterrassen.Kaempfe@t-online.de,
www.weinterrassen.de
Konditorei Zieger, Rote Stufen 5, 01662 Meißen,
Tel.: (03521) 453-147, Fax: -100, E-Mail: webmaster@konditorei-zieger.de, www.konditorei-zieger.de

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