- Politik
- Eva Kaufmann über DDR-Frauenliteratur
Randfiguren?
Autorinnen aus der DDR wurden in vielen Ländern gelesen, geliebt und erforscht. Vorliegendes Buch beschreibt und analysiert diesen bemer kenswerten Umstand und hellt auf, wie sich die Konzepte wichtiger Repräsentantinnen dieser literarischen Bewegung in der Spätphase der DDR, in der Wendezeit und unter den Bedingungen des Anschlusses an die Bundesrepublik entwickelt haben; vorgestellt werden davon geprägte literarische Ergebnisse.
Die Wolf, Morgner, Reimann, Königsdorf, nicht zu reden von Anna Seghers, waren keine Randfiguren, wie der Buchtitel unterstellt. Auch nicht die ihnen nachfolgenden Jüngeren. Zwar sollten sie Anfang der 90er Jahre an den Rand und ins Vergessen gedrängt werden, wie so vieles aus der Kultur der DDR, das in der Welt Aufsehen erregt hatte. Aber das misslang, denn die in kritischer Distanz gegenüber dem Realsozialismus wie in »gelebter Utopie« aufscheinende weibliche Lebenskultur in ihren Büchern war durchaus über den geschichtlichen Bruch hinaus aussichtsreich. Das weist Eva Kaufmann eingehend nach. Deshalb ist der von Brigitte Burmeister entlehnte Buchtitel schließlich doch zutreffend.
Den Auswirkungen der Wende gilt also spezielle Aufmerksamkeit, »denn derart starke Brüche kommen in der Geschichte nicht häufig vor«. Ohne besonders auf die verschiedenen sozialhistorischen Grundlagen abzuheben, werden wichtige Autoren-Erfahrungen aus beiden Systemen abgewogen. Wurden die Bücher einst, wenn erst einmal veröffentlicht (das vor gestellte Schicksal eines Gerti Tetzner Manuskripts bezeugt die Schwierigkeiten), von der Leserschaft meist begierig aufgenommen, erweist es sich jetzt oft als das größte Problem, sich auf dem unüber sichtlichen Markt erfolgreich zu platzieren. Hatte man früher als Schreibende ein häufig zwar bescheidenes Auskommen, wurde die schriftstellerische Berufung nun nicht selten zum Nebenjob oder ver langt eine intensive, für Frauen und Mütter besonders strapaziöse Reisetätigkeit, wenn sie einigermaßen einträglich sein soll. Um so erstaunlicher- Die neueren Ar beiten der meisten Autorinnen, die unter sucht werden, weisen keine grundlegenden Qualitätsunterschiede gegenüber den früheren auf, ihre ideellen und mentalen Ausgangspositionen bleiben weitgehend die Gleichen. Ein Befund, der auf die anhaltende Dominanz patriarchalischer Strukturen zurückzuführen ist. Denn: Es bleibt das Engagement dieser Literatur für Frauen, für deren Nöte und Konflikte und für deren Möglichkeiten, ohne dass dem, wie ehemals auch, ein strenger theoretisierender Feminismus zugrunde läge. Anhaltend auch die Sorge um ein friedliches Leben; desgleichen die Absage an jegliche Euphorie in der Sicht auf die gegebenen Zustände, woraus sich eine ebenfalls schon in der DDR spürbar gewordene Neigung zu ironischen, komischen, fantastisch-grotesken Darstellungsformen herleitet. Und wie ein Blitz licht im Grau ist an die illusionäre Hoffnung des Herbstes und Frühjahrs 1989/ 90 erinnert, als weibliche Lebensalternativen provokativ ins Spiel kamen.
Das alles nicht über einen Kamm geschoren, sondern sorgsam den Erfahrungsrahmen unterschiedlicher Generationen wie individuelle Eigenheiten berücksichtigend. Ein Differenzierungsver mögen, das aus der engen Verbundenheit Eva Kaufmanns mit diesen Prozessen er wachsen ist. In einem vorangestellten Interview mit ihr wird das sichtbar, auch in
internationalen Dimensionen. Es ist ein kurz gefasster Lebensbericht, wobei in der Beschreibung ihrer wissenschaftlichen Laufbahn keineswegs zufällig auch von »Frauenförderung« die Rede ist. Gründlicher, detaillierter in dieser Aufsatz-Sammlung übrigens die Analysen aus DDR-Zeiten (Christa Wolfs »Störfall«, Irmtraud Morgners Romane), während danach eher ein erklärender Gestus und eine punktuelle Auswahl dominieren. Bei konsequent geschichtlicher Betrachtung sind die Texte methodisch sehr variabel angelegt, der Stil aber ist nüchtern, direkt auf die Fakten zugreifend.
Sehr schön 12 Radierungen von Nuria Quevedo, die in den Text eingestreut und lakonisch-symbolisch, teils auch satirisch, auf menschliche Grundkonstellationen gerichtet sind. Ein Buch von Frauen über Frauen, aber keineswegs nur für sie.
Eva Kaufmann: Aussichtsreiche Randfiguren. Aufsätze. Hg. vom Literaturzentrum Neubrandenburg e. V Federchen Verlag. 218 Seiten, gebunden, 35 DM.
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